Diese SPD-Abgeordneten verlassen nach der Wahl den Bundestag
„Ich gehe mit einem weinenden und einem lachenden Auge“, sagt Petra Ernstberger (61). Die langjährige Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion und Sprecherin der Seeheimer kandidiert nicht wieder für den Bundestag. Wie rund 30 ihrer Fraktionskollegen, denen es ähnlich gehen dürfte.
Petra Ernstberger: Tschechien bleibt meine Leidenschaft
„Nach 23 Jahren im Bundestag ist es an der Zeit, ‚tschüss’ zu sagen“, so Ernstberger. 1990 trat sie mit 35 Jahren in die SPD ein. Schon vier Jahre später war sie Bundestagsabgeordnete. Ein ungewöhnlich schneller Aufstieg, ganz ohne die sonst oft übliche jahrelange „Ochsentour“. Den Menschen in ihrem Hofer Wahlkreis „ganz konkret bei ihren Alltagsproblemen behilflich zu sein, das war mir sehr wichtig“, sagt sie rückblickend. Und die deutsch-tschechische Zusammenarbeit, die in ihrem Wahlkreis nahe der Grenze eine große Rolle spielt. „Der schönste Moment in meinem politischen aktiven Leben war die Grenzöffnung und die daraus resultierende Ost-Erweiterung.“ Diese habe sowohl ihrer fränkischen Heimat als auch Osteuropa einen großen Entwicklungsschub gegeben. Auch nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag „bleibt Tschechien meine Leidenschaft“, sagt Petra Ernstberger. Sie will sich auch weiterhin für eine gute deutsch-tschechische Partnerschaft engagieren.
Siegmund Ehrmann: Die Jüngeren müssen auch ran
Siegmund Ehrmann sieht den Ruhestand positiv: „Ich freue mich auf die neuen Freiheiten“, sagt der 65-Jährige. Die Entscheidung, den Bundestag zu verlassen, „ist seit langem in mir gereift“. Seit 2002 gehört er dem Parlament an, seit 2014 als Mitglied des Fraktionsvorstandes und als Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien. Ehrmann betont die „elementare Bedeutung der Kultur für den Menschen“. In der Kulturpolitik hat er sich stets für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern eingesetzt, „im Sinne eines kooperativen Kulturföderalismus“, wie beim Hauptstadtkulturfond oder der Bundeskulturstiftung. „Da bleibt noch vieles zu tun“, bilanziert er. Ganz wichtig ist ihm die Stabilisierung der Künstlersozialkasse, die 1981 von der SPD ins Leben gerufen wurde. Daneben war es ihm stets ein Anliegen, den Menschen in seinem niederrheinischen Wahlkreis ein guter Ansprechpartner zu sein und „unsere Politik auch in schwierigen Zeiten zu erklären“, etwa die Agenda 2010. „Ganz grundsätzlich empfehle ich, die Dinge beharrlich und geduldig anzugehen und nicht über jeden Stock zu springen, der einem hingehalten wird“, resümiert Ehrmann am Ende seiner Abgeordnetenlaufbahn. Auch danach will er weiter im Kulturforum der SPD mitarbeiten. Aber, davon ist Siegmund Ehrmann überzeugt: „Wir haben so viele engagierte Jüngere, die können das sehr gut und müssen auch ran.“
Rainer Arnold: Weiter aktiv – ehrenamtlich
„In diesem Jahr werde ich 67 und jetzt ist es soweit“, sagt Rainer Arnold, seit 2002 verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. „Für mich war immer klar, dass ich mit dem Erreichen des Rentenalters ein neues Kapitel in meinem Leben aufschlage.“ Seit 1998 gehört der Schwabe dem Bundestag an. Wenn er auf diese Zeit zurückblickt, war für ihn das Wichtigste, „dass der Modernisierungsstau der Kohl-Ära mit Gerhard Schröder und der Bundestagsfraktion aufgelöst werden konnte, wenn auch in einem sehr schwierigen Prozess“. Die schönsten Momente im Bundestag erlebte er, als er „zwei mal einen Sozialdemokraten zum Bundespräsidenten wählen konnte“. Zu den schwierigsten Momenten gehörten für den Verteidigungsexperten „die Begegnungen mit den Angehörigen gefallener Soldaten“. Für Rainer Arnold ist klar: Auch nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag, wird er sich weiter „für die Gesellschaft und die SPD“ einbringen. „Das heißt natürlich aktives, ehrenamtliche Engagement.“ Er freut sich darauf, sich künftig auch „den Dingen zu widmen, die in den Jahren als Abgeordneter oft zu kurz kamen“: etwa mit anderen Musik zu machen, zu reisen und gut zu kochen.
Iris Gleicke: Sich nie entmutigen lassen
Als Iris Gleiche (52) im Jahr 1990 erstmals in den Bundestag einzieht, ist sie die jüngste Abgeordnete aus den neuen Ländern. Kurz zuvor hatte sie den Ortsverein Schleusingen der Thüringer SPD mitgegründet. Von Anfang an setzt sie sich für den Osten ein. So ist es nur natürlich, dass die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium 2014 Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder wird. Als sie 2016 die Probleme mit Rechtsextremismus in Ostdeutschland offen anspricht, bricht ein Sturm der Entrüstung los. Die Ost-Ministerpräsidenten, „egal welcher Couleur haben mich damals alle beschimpft“, erinnert sie sich. Doch sie bleibt ihrer Linie treu. Im „vorwärts“ fordert sie, dass die schweigende Mehrheit im Osten „klare Kante gegen Rechts“ zeigt. Die Entscheidung, nach fast 27 Jahren nicht wieder für den Bundestags zu kandidieren „ist mir nicht leicht gefallen“, sagt sie. „Man sollte gehen, solange die Leute ‚Wie schade’ sagen und nicht ‚Na endlich!’.“ Gerne erinnert sich Iris Gleicke an den Regierungswechsel 1998, als sie ihren Wahlkreis gegen die CDU-Familienministerin Claudia Nolte und gegen die PDS-Vizechefin Gabi Zimmer gewann. „Das hat damals kaum jemand für möglich gehalten, aber meine Vertrauten und ich haben fest an diese Chance geglaubt.“ Deshalb rät sie ihrer Partei: „Man darf sich nie entmutigen lassen, das gilt auch für die kommende Bundestagswahl.“