Parteileben

Diese Menschen haben Ideen fürs SPD-Wahlprogramm

400 Genossen und Interessierte haben an der Programmkonferenz der SPD in Nürnberg teilgenommen. Was bewegt die Menschen, die mit der Parteispitze über gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration diskutiert haben? Wir stellen drei von ihnen vor.
von Kai Doering · 9. Juli 2016
Publikum Nürnberg
Publikum Nürnberg

Lea Möbus: Die Neugierige

Lea Möbus ist früh aufgestanden an diesem Samstagmorgen. Um halb acht ist sie in München in den Fernbus gestiegen, um pünktlich bei der Programmkonferenz der SPD zum Thema „Gesellschaftlier Zusammenhalt und Integration“ in Nürnberg zu sein. Nun ist sie eine der ersten, die das „Congress Centrum“ auf dem Messegeländer betritt.

„Mich interessiert, wie in der Partei diskutiert wird, wie Entscheidungen getroffen werden“, nennt Lea Möbus als Grund, warum sie nach Nürnberg gekommen ist. „Ob da richtig die Fetzen fliegen?“, fragt sie sich während immer mehr Gäste ins Contress Centrum strömen. Lea Möbus ist seit knapp sechs Jahren SPD-Mitglied. In der Partei engagieren konnte sie sich bisher nicht – die Arbeit als angestellte Public-Affairs-Managerin ließ zu wenig Zeit dafür.

„Seit Anfang Juli bin ich selbstständig“, erzählt Möbus. Nun könne sie freier über ihre Zeit entscheiden. Die Konferenz in Nürnberg soll auch so etwas wie der Auftakt für ein Engagement in der SPD sein. Mit Politik hat Möbus auch während ihrer Arbeit viel zu tun. Sie berät Mittelständler und Start-ups im Umgang mit Politikern. In Nürnberg ist sie auch auf die Atmosphäre unter den Genossen gespannt. „Es ist schön, Gleichgesinnte zu treffen.“

Nach dem Workshop zum Thema „Teilhabe für alle durch Qualifizierung und Integration in den Arbeitsmarkt“ haben sich Lea Möbus‘ Erwartungen erfüllt. „Andrea Nahles hat in der Diskussion kein Blatt vor den Mund genommen“, berichtet sie. Viele der Teilnehmer hätten „das Herz am richtigen Fleck“. Lea Möbus‘ Fazit der Programmkonferenz fällt durchweg positiv aus. „Ohne die Mitglieder zu beteiligen, kann man heutzutage als Partei nicht erfolgreich sein“, ist sie überzeugt.

Maurice Guglietta: Der Engagierte

„Schön, dass die SPD versucht, in alle Winkel zu gehen“, freut sich Maurice Guglietta über die Idee seiner Partei, überall im Land mit ihren Mitgliedern über das Wahlprogramm für 2017 zu diskutieren. Der 25-Jährige wohnt in Fürth, keine halbe Stunde entfernt vom Messezentrum Nürnberg, wo die SPD ihre Programmkonferenz über „Zusammenhalt und Integration“ abhält.

Er habe gleich die „Chance genutzt“, auf der Programmkonferenz mit führenden Politikern der Partei ins Gespräch zu kommen, erzählt er – zum Beispiel auf dem Flur mit der SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. „Ich finde es wichtig, dass so viele aus der Parteispitze und Bundesregierung gekommen sind.“ So fühlten sich die Mitglieder ernst genommen. Die Möglichkeit am Wahlprogramm mitzuwirken, nutze er gerne, betont Guglietta: „Das find’ ich schon gut.“

Der Politologie-Student ist stellvertretender Juso-Vorsitzender in Fürth und sitzt für die SPD im Bauausschuss des Fürther Stadtrats. Besonders am Herzen liegt ihm der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Er nimmt seinen Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel beim Wort, wenn dieser verspricht, die Kommunen zu stärken. „Die Kommunen wurden viel alleine gelassen“, klagt Guglietta. Der ÖPNV sei auch ein Integrationsthema, erklärt er. Viele Flüchtlinge seien im Umland der Stadt Fürth untergebracht und daher auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Ohne Mobilität keine Teilhabe.

Der Bund müsse mehr Verantwortung übernehmen, wenn es um die Kosten für die Infrastruktur im Nahverkehr geht, fordert Maurice Guglietta. „Das muss ins Wahlprogramm“, findet er. In den Bundestagswahlkampf geht er mit großer Zuversicht und hofft für die SPD auf ein Ergebnis jenseits der 30 Prozent. Mit dem Mindestlohn oder der Rente mit 63 habe seine Partei in der Regierung geliefert, sagt er: „Wir haben versprochen – und gehalten.“

Elisabeth Vogel: Die Überraschte

Für Elisabeth Vogel war es gar nicht so einfach, zur SPD-Programmkonferenz ins Nürnberger „Congress Centrum“ zu kommen. Das lag nicht daran, dass sie eine weite Anreise gehabt hätte. Als Fütherin konnte sie die paar Kilometer in die Nachbarschaft schnell zurücklegen. „Aber der Shuttle-Bus vom Parkplatz durfte mein Elektromobil nicht transportieren.“ Auf das kleine Fahrzeug ist Elisabeth Vogel für längere Strecken angewiesen. Seit ihrem 50. Lebensjahr hat sie zwei künstliche Hüftgelenke – und einen Status als Schwerbehinderte.

„Dass jemand, der eine Erwebsminderungsrente bezieht, dieselbe Abschläge hinnehmen muss wie jemand, der einfach so früher in den Ruhestand geht, ärgert mich maßlos“, schimpft Elisabeth Vogel. Auch sie konnte nach zwei Kreuzbandrissen nicht mehr in ihrem Beruf als Suchtberaterin arbeiten. Fast zwölf Prozent weniger Erwerbsminderungsrente musste sie hinnnehmen. „Das ist nicht gerecht“, findet Vogel.

Dasselbe gelte für die Aufteilung der Krankenkassenbeiträge. Dass die Versicherten mehr bezahlen müssen als die Arbeitgeber, kann sie nicht verstehen. Und auch bei der Besteuuerung laufe vieles schief. Elisabeth Vogel wünscht sich höhere Steuersätze für diejenigen, die mehr verdienen. „Das ist eine echte Gerechtigkeitsfrage“, findet sie.

Ein echtes Aha-Erlebnis hatte Elisabeth Vogel kurz nach der Rede von SPD-Chef Sigmar Gabriel als sich ein Vertreter von „SelbstAktiv“ zu Wort meldete. „Dass Menschen mit Behinderung eine eigene Arbeitsgemeinschaft in der SPD haben, wusste ich bisher nicht“, sagt Vogel, die seit 43 Jahren SPD-Mitglied ist. „Da werde ich künftig mitarbeiten.“

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Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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