Parteileben

Die Straußenflüsterin

von ohne Autor · 4. April 2009
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Die Insassen werden auf der Buckelpiste kräftig durchgeschüttelt, während der Wagen sich langsam einem grünen Eisentor nähern. Hier liegt Johanns Reich. Ein kleines Schild warnt die Besucher, Johann besser nicht anzufassen: Wird er böse, tritt Johann kräftig zu. Dabei dürfte es den Siebenjährigen hier eigentlich gar nicht geben. "Mecklenburg-Vorpommern hat keine gesetzliche Regelung für die Haltung von Straußen", erklärt Katharina Feike. Ihre Familie ist Eigentümerin des "Straußenparks Pudagla" auf der Insel Usedom.

Dass Straußenhahn Johann und seine beiden Hennen trotzdem an der Ostsee scharren, fressen und brüten dürfen, verdanken sie einer Sondergenehmigung. "Beim Tierarzt gelten sie als Papageien, ihr Fleisch unterliegt den Richtlinien für Hühner und das Gehege muss die Vorgaben für Damwild erfüllen", sagt Katharina Feike und lächelt ein wenig verschmitzt. Vor sieben Jahren begannen sie und ihre Eltern damit, den größten Laufvogel der Welt im äußersten Nordosten Deutschlands anzusiedeln. "Am Anfang haben uns die Leute für verrückt erklärt", erinnert sie sich. Mittlerweile ist der 5,2 Hektar große Straußenpark auf einem ehemaligen NVA-Gelände zum festen Bestandteil des Usedomer Achterlandes geworden. "Die Leute schauen den Tieren gerne zu, lieben ihr Fleisch und ihre Eier", erzählt Feike. Und die haben es in sich, müsste man für ein Omelett in Straußeneigröße doch 20 Hühnereier in die Pfanne hauen.

Guter Ausgleich zur Politik

"Für mich ist die Arbeit auf der Straußenfarm ein schöner Ausgleich zur Politik", kommt Katharina Feike auf ihre zweite große Leidenschaft zu sprechen. Als die Farm 2002 gegründet wurde, hatte die heute 32-Jährige gerade begonnen, in Greifswald Politikwissenschaft zu studieren. Ihr Staatsexamen im Fach Jura lag da gerade erst ein paar Monate zurück. "Über die wissenschaftliche Betrachtung bin ich auf den Geschmack gekommen, selber Politik zu machen", erinnert sie sich.

Den Einstieg fand Katharina Feike über eine Bürgerinitiative. Im Einsatz gegen den Bau einer Marina vor dem Strand ihres Heimatorts Heringsdorf lernte sie viel über die Menschen und deren Einstellung zu Wahlen und politischer Meinungsbildung. "Warum wird Demokratie hier nicht gelebt?", hatte sich Feike zuvor oft gefragt. Nun sah sie, dass die Usedomer aktiv wurden, als es darum ging, ihre Heimat vor einem solch schwerwiegenden Eingriff in die Natur zu schützen.

Im November 2005 trat Katharina Feike in die SPD ein - weil ihr die Menschen sympathisch waren und der "Altherrenverein" CDU für sie nie in Frage gekommen wäre. In kurzer Zeit stieg die junge Frau vom Kreisverbandsvorstand der SPD Ostvorpommern in den Landesvorstand von Mecklenburg-Vorpommern auf. Im Juli vergangenen Jahres wurde sie dann gefragt, ob sie für den Bundestag kandidieren wolle. "Da habe ich lange überlegt", erzählt Katharina Feike nachdenklich. Seither ist vieles anders als zuvor. Manch einer aus der Nachbarschaft habe sein Verhalten ihr gegenüber geändert, weil sie ja nun "große Politik" mache. "Die Leute mussten erst realisieren, dass ich mich nicht verändert habe", lacht Feike.

Vor der Bundestagswahl im September werden allerdings am 7. Juni zunächst die kommunalen Parlamente in Mecklenburg-Vorpommern neu besetzt. Für die Wahl zum Kreistag sucht die engagierte Demokratin Feike noch geeignete Kandidaten; in einer parteipolitisch strukturschwachen Gegend wie "MeckPomm" kein einfaches Unterfangen. "Ich führe viele Einzelgespräche und versuche, Menschen zu überzeugen anzutreten", erzählt sie.

Eine Frau gegen Rechts

Doch was ist ihre Motivation, jede Woche mehrere hundert Kilometer mit ihrem Auto übers flache Land zu fahren, damit möglichst viele Bürger für den Kreistag kandidieren? "Man muss etwas für die Demokratie tun", sagt Feike, und man sieht ihr an, dass sie es genau so meint. Der Schock der Landtagswahl 2006 sitzt noch recht tief. Damals zog die NPD mit fünf Abgeordneten ins Schweriner Schloss ein. "Die Konsequenzen sind vielen erst nach der Wahl bewusst geworden. Jetzt ist es zu spät."

An Katharina Feike hat es jedenfalls nicht gelegen. Im Rahmen eines Forschungsprojekts der Greifswalder Universität hatte sie einige der NPD-Kandidaten persönlich kennengelernt und in Vorträgen Aufklärungsarbeit geleistet. Ihre Warnungen brachten ihr in rechten Internetforen den Spitznamen "Kassandra" ein. Doch wie bei der mythologischen Seherin wurden auch ihre Warnungen ignoriert.

Bis zu den Wahlen werden allerdings noch zweieinhalb Monate vergehen, Zeit, die Katharina Feike zu einem großen Teil auf ihrem Straußenpark verbringen wird. "Anfang Mai starten wir in die neue Saison", kündigt sie an. Schon zu Ostern werden Kinder des heimischen Kindergartens auf dem Gelände Eier suchen. Das Straußengelege ist dabei tabu, denn wer sich seinem Nest nähert, legt sich mit Johann an. "Strauße sind schnell und können sehr gut gucken", weiß Katharina Feike. Nur eine Farbe könnten sie nicht erkennen: Rot.

Quelle: vorwärts 04/2009. Die Aprilausgabe des vorwärts erschien am 28. März am Kiosk.

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