Parteileben

„Die SPD muss die Ehe für alle noch in dieser Legislaturperiode umsetzen“

Im Oktober haben sich die Schwusos in SPDqueer umbenannt – und Petra Nowacki zur neuen Vorsitzenden gewählt. Im Interview sagt sie, warum nach 40 Jahren ein neuer Name fällig war und was die SPD gegen den drohenden „Roll-back“ in der Geschlechterpolitik tun muss.
von Kai Doering · 15. November 2016
Petra Nowacki ist Bundesvorsitzender der SPDqueer.
Petra Nowacki ist Bundesvorsitzender der SPDqueer.

Die Schwusos heißen künftig SPDqueer. Warum?

Als die Schwusos Ender der 70er Jahre gegründet wurden, war ihr offizieller Titel „Arbeitskreis gegen die Diskriminierung Homosexueller“. Die Gründerväter waren progressive Jusos in Berlin und in Köln, die schwul waren. Aus „schwulen Jusos“ wurden die „Schwusos“. 40 Jahre später kommt bei uns ein viel breites Spektrum von Menschen mit verschiedenen sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten zusammen. Dieser Vielfalt wollen wir mit einem neuen Namen gerecht werden. Schon vor einiger Zeit haben wir deshalb einen intensiven, zum Teil auch emotionalen Diskussionsprozess begonnen, um einen inklusiven Namen zu finden. Am Ende hat sich eine Mehrheit für den Queer-Begriff ausgesprochen. Er ist etabliert und über die Grenzen der Community hinaus bekannt. Unser vollständiger Name lautet übrigens: SPDqueer – Arbeitsgemeinschaft für Akzeptanz und Gleichstellung.

Sie haben sich selbst sehr für den neuen Namen stark gemacht. Warum war Ihnen die Umbenennung persönlich so wichtig?

Vor einiger Zeit hat mich eine Frau angesprochen und gesagt: Ihr habt in der SPD doch die Schwusos. Gibt es so etwas auch für lesbische Frauen? Da ist mir sehr bewusst geworden, dass sich viele Menschen vom Namen Schwusos nicht angesprochen fühlen. Ich möchte, dass sich schon im Namen alle wiederfinden, die zu uns gehören wollen. Deshalb habe ich mich für die Umbenennung stark gemacht.

Ihr Vorgänger Ansgar Dittmar war acht Jahre Vorsitzender und hat die Schwusos stark geprägt. Wo wollen Sie künftig Akzente setzen?

Ich möchte mir zunächst die Bereiche ansehen, in denen Schwule, Lesben oder sich noch anders definierende Menschen noch nicht gleichgestellt sind. Ich habe mich z.B. sehr gefreut, dass der jüngste Deutsche Juristentag über die rechtliche Gleichstellung von Regenbogenfamilien diskutiert hat. Denn selbst wenn die Ehe für alle endlich käme, wären damit noch nicht alle juristischen Fragen beantwortet. Was passiert z.B. wenn die zwei Väter und zwei Mütter eines Regenbogenkindes pflegebedürftig werden? Ist das Kind dann viermal unterhaltspflichtig? Themen wie dieses gibt es einige, die wir besser heute als morgen klären sollten. Als neue Vorsitzende der SPDqueer möchte ich auch einen Schwerpunkt auf die Sichtbarkeit lesbischer Frauen sowie transidenter Menschen setzen. Es muss aber niemand Angst haben, dass jetzt alles anders wird. Die Belange schwuler Männer und lesbischer Frauen werden ein wichtiger Teil unserer Arbeit bleiben.

Die „Ehe für alle“ war ein zentrales Versprechen der SPD im Bundestagwahlkampf 2013. CDU und CSU blockieren sie. Plädieren Sie wie Ihr Vorgänger dafür, dass die SPD die linke Mehrheit im Bundestag nutzen sollte, um die Ehe für alle noch vor der nächsten Wahl zu beschließen?

Ja, das sollte die SPD unbedingt tun. Ich bin seit 34 Jahren Mitglied der SPD und habe großes Verständnis für Koalitionsdisziplin. Aber wir sind 2013 mit dem Versprechen in den Wahlkampf gezogen, dass es eine hundertprozentige Gleichstellung nur mit der SPD gibt. In Bezug auf die Öffnung der Ehe haben wir dieses Versprechen bisher nicht erfüllt. Wenn wir absehen könnten, dass es nach der nächsten Bundestagswahl eine Regierung mit anderen Mehrheiten gibt, die die Ehe für alle umsetzt, würde ich ganz klar dafür plädieren, die große Koalition zu Ende zu bringen und erst danach die Ehe für alle zu beschließen. Aber gerade vor dem Hintergrund eines erstarkenden Rechtspopulismus habe ich diese Hoffnung leider nicht. Deshalb lautet mein Plädoyer ganz klar: Setzt die Ehe für alle noch in dieser Legislaturperiode um.

Die Rechtspopulisten sprechen gerne vom „Genderwahn“, Schwule und Lesben sind ihnen ein Dorn im Auge. Bekommen Sie das auch zu spüren?

Im rechten Spektrum sind alle Facetten gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit vertreten: Antisemitimus, Fremdenfeindlichkeit, Angriffe auf die Gleichstellung von Frauen und Männern – das ganze Spektrum. Das bekommen auch wir zu spüren. Deshalb sagen wir ganz klar: „Wehret den Anfängen!“ Das bedeutet für mich auch, dass sich die SPD inhaltlich mit dem, was AfD, Pegida und Co fordern, auseinandersetzt und mit Argumenten und auch emotional dagegen hält. Das erfordert viel Anstrengung, ist aber unsere Verpflichtung.

AfD, Pegida und Co sind das eine, die gesellschaftliche Stimmung das andere: Wie groß schätzen die Gefahr eines gesellschaftlichen Roll-backs in der Geschlechterpolitik ein?

Die Gefahr eines Roll-backs ist sehr groß. Dazu müssen wir ja nur ins europäische oder transatlantische Ausland gucken. In Slowenien wurde die Öffnung der Ehe gerade per Volksentscheid rückgängig gemacht. Der Front National in Frankreich sagt ganz offen, dass er bestimmte Gesetze der sozialistischen Regierung wieder rückgängig machen möchte. Auch in Polen und Ungarn entwickeln sich die Verhältnisse zurück. Es ist überhaupt nicht ausgeschlossen, dass solche Dinge auch in Deutschland passieren. Wenn man genau hinsieht, ist der Rückschritt in manchen Bereichen sogar schon da, etwa wenn von Politikern behauptet wird, die Gleichstellung von Schwulen und Lesben sei ein „Luxusproblem“.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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