vorwärts.de: Wann haben Sie erfahren, dass Franziska Drohsel auf dem
Juso-Bundeskongress Mitte Juni zurücktreten wird?
Sascha Vogt: Früh genug auf jeden Fall, dass ich ausreichend Zeit hatte, mir zu überleben, ob ich für den Juso-Bundesvorsitz kandidieren möchte. Kurz bevor sie ihre Entscheidung
bekannt gegeben hat, ist Franziska Drohsel auf mich zugekommen und hat mir gesagt, dass sie plant, in Essen zurückzutreten. Und sie hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, ihr Nachfolger
zu werden. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich dann entschieden, es zu probieren. Und so werde ich nun am Wochenende in Essen kandidieren.
Was hat den Ausschlag zu Ihrer Kandidatur gegeben?
Mir hat die Arbeit im Juso-Bundesvorstand im vergangenen Jahr sehr viel Spaß gemacht. Ich möchte auch gerne die erfolgreiche Juso-Arbeit der letzten Jahre fortsetzen. Die Jusos sind für
mich ein sehr spannender Verband, der auf der einen Seite in außerparlamentarischen Bündnissen aktiv ist wie bei der Anti-Atom-Kette oder antifaschistischen Aktionen, der auf der anderen Seite
aber auch in der SPD Akzente setzt. Darüber hinaus stimmen bei mir zurzeit auch die persönlichen Rahmenbedingungen, das Amt des Juso-Vorsitzenden zu übernehmen. Mein Studium habe ich
abgeschlossen, zurzeit promoviere ich. Dementsprechend stehe ich nicht unter dem Druck, meine Ausbildung noch beenden zu müssen.
Die SPD befindet sich nach der verlorenen Bundestagswahl in der Erneuerung. Wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Prozess?
Ich fand es gut, dass wir in Dresden gemeinsam beschlossen haben, dass wir uns auf diesen Weg der Erneuerung machen. Die SPD muss aufarbeiten, was in elf Jahren Regierungsbeteiligung
passiert ist. Es darf allerdings nicht bei Aufräumarbeiten bleiben. Wir müssen vielmehr einen positiven Zukunftsentwurf entwickeln. Inhaltlich habe ich bisher noch nicht sehr viel gesehen. Da
warte ich mit Spannung auf den Parteitag im September. Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik und der Steuerpolitik z.B. muss es deutliche Akzentverschiebungen geben. Die SPD muss auch im September
höhere Steuern vor allem für die Vermögenden fordern. Und bei der Arbeitsmarkpolitik müssen wir sagen, wie wir endlich wieder Vollbeschäftigung erreichen wollen.
Der große Konstruktionsfehler der Hartz-Reformen war ja, dass man davon ausgegangen ist, es gäbe genug Arbeit, nur die Leute sind nicht bereit, arbeiten zu gehen. Das ist eine falsche
Grundannahme und deshalb waren die beschlossenen Maßnahmen auch ungerecht. Und schließlich gehört zum Erneuerungsprozess die Möglichkeit, an innerparteilichen Entscheidungen teilzuhaben. Wenn mir
als Mitglied im Juso-Bundesvorstand häufig nicht klar ist, an welchen Stellen gerade wie diskutiert wird und wo sich die Jusos einbringen können, dann läuft gravierend etwas schief.
Die Jusos werden an Entscheidungen in der SPD also nicht beteiligt?
Genauso sieht es aus. Bei der Einrichtung der Zukunftswerkstätten wurde uns z.B gesagt, die Juso-Bundesvorsitzende könne ja in die Steuerungsgruppe einer Zukunftswerkstatt gehen. Was in den
anderen Werkstätten läuft, erfahren wir dagegen nur aus der Zeitung. Wir müssen innerhalb der Partei ein Verfahren finden, bei dem die Jusos und auch die anderen Arbeitsgemeinschaften besser
mitdiskutieren können.
Teil der Juso-Strategie der vergangenen Jahre war es, verstärkt auf die Grünen und auch auf die Linkspartei zuzugehen. Werden Sie diesen Kurs fortsetzen?
Ja. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass die linken Jugendorganisationen es schaffen, an einen Tisch zu kommen. Wir müssen im Gespräch bleiben - sowohl mit der linken als auch grünen
Jugend. Gerade die Jungen in den Parteien können die Widerstände, die es vielfach bei den Älteren gibt, überwinden.
Was bedeutet es für Sie eigentlich, im 21. Jahrhundert links zu sein?
Da richte ich mich ganz nach dem Grundsatzprogramm der SPD. Links zu sein heißt, dass wir uns stark machen für ein alternatives Gesellschaftsmodell, den demokratischen Sozialismus.
Natürlich haben wir dafür keinen Masterplan mit zehn Punkten, die wir dann einfach nur noch umsetzen müssen. Ich halte es aber für wichtig, solch eine gesellschaftliche Vision zu haben und beide
Begriffe zu leben: das Demokratische und den Sozialismus.
Interview: Kai Doering
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