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"Die bauen Luftschlösser"

von Susanne Dohrn · 23. Juni 2009
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vorwärts: Peer Steinbrück, Milliarden für insolvente Unternehmen, noch mehr Milliarden für marode Banken, aber nicht genug Geld für Bildung, für Hochschulen, für Forschung - auf dem SPD-Parteitag haben Sie Ihre Kinder aufgefordert zu demonstrieren. Stehen sie schon mit Transparenten vor Deiner Haustür?

Peer Steinbrück: Mit dem familieninternen Finanzausgleich klappt es zum Glück noch ganz gut, da habe ich bislang nichts zu befürchten! Aber im Ernst: Zusätzliche Mittel für Bildung und Forschung ist einer der Schlüsselfaktoren für weiteres Wachstum und Beschäftigung in unserem Land. Wer hier aus falsch verstandener Sparsamkeit die Axt anlegt, setzt den Wohlstand unserer Kinder und Enkelkinder aufs Spiel! Deshalb haben wir uns prinzipiell bereits verständigt, für den Hochschulpakt II, für die Exzellenzinitiative II und für den Pakt für Forschung und Innovation bis 2019 über 18 Milliarden Euro zusätzlich bereitzustellen. Davon trägt allein der Bund fast 12 Milliarden Euro. Über die konkrete Finanzierung wird sich die neue Bundesregierung im Licht insbesondere ihrer Einnahmesituation buchstäblich beugen müssen.

Der Staat versinkt in Schulden. Für 2010 rechnet das Bundesfinanzministerium mit einem Minus von 90 Milliarden. Warum dieses riesige Loch in der Kasse?

Diese Zahl ist in der Tat gigantisch. Hätte mir jemand vor einem Jahr eine solche Vorhersage gemacht, hätte ich ihn - ich glaube zu Recht - ausgelacht. Jetzt haben wir es mit dem größten Konjunk­tureinbruch der letzten 60 Jahre zu tun plus den Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise. Hier müssen wir finanzpolitisch gegenhalten.

Um Wohlstand und Arbeitsplätze zu sichern, auch Schulden machen. Unsere Schuldenbremse sorgt allerdings auch dafür, dass künftige Generationen nicht über Gebühr die Lasten ihrer Eltern und Großeltern tragen müssen.

Wer soll das bezahlen? Die Reichen stärker zu belasten, wird vermutlich doch nicht reichen.

Wir dürfen unsere Maßnahmen nicht durch Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen konterkarieren. Sobald die Krise vorbei ist, stellt sich aber in der Tat die Frage, wie wir die Neuverschuldung wieder in Richtung "Null" zurückführen. Dass dies grundsätzlich möglich ist, haben wir zwischen 2005 und 2008 gezeigt. Hieran müssen wir anknüpfen, sobald das Wachstum wieder anspringt. Das ist auch die Vorgabe der neuen Schuldenregel, die Bund und Länder vor wenigen Tagen im Grundgesetz verankert haben. Damit zeigen wir unsere Verantwortung für zukünftige Generationen.

Wir Sozialdemokraten wollen einen Staat, der auch in Zukunft handlungs­fähig ist. Im Gegensatz dazu machen Union und FDP vollkommen realitätsferne Steuerentlastungsversprechen im hohen zweistelligen Milliardenbereich. Ich bin sicher, die Menschen durchschauen dieses Spiel, weil Sie wissen, dass diese Ankündigungen "Luftschlösser" sind, die allein für die Wahl aufgebaut werden.

Die Menschen haben Angst vor Inflation, Experten warnen vor Deflation. Ist das berechtigt?

Ich habe in den letzten Wochen und Monaten immer betont, dass ich das Defla­tionsrisiko nur in der kurzfristigen Sicht sehe und für sehr gering halte. Mittelfristig halte ich die Inflationsgefahr für ein ernst zu nehmendes Problem. Da wird es darauf ankommen, wie klug und vorausschauend die Europäische Zentralbank ihre geldpolitischen Ziele verfolgt und dass wir mit den öffentlichen Haushalten wieder auf den Konsolidierungskurs zurückkehren. Dafür stehe ich.

Die SPD hat in ihrem Regierungs­programm eine Reihe von Versprechungen gemacht: Schul­sozialarbeit, keine Gebühren vom Kindergarten bis zur Hochschule, Entlastungen für Gering- und Normalverdiener. Wo gibt es Einsparpotential, um das alles zu finanzieren?

Unsere Vorschläge sind durchdacht und solide gegenfinanziert, u.a. mit dem "Bildungssoli" und der Börsenumsatzsteuer. Wir geben eine ehrliche Antwort auf die Frage, was der Staat für eine gerechte Gesellschaft leisten muss - aber auch, wie viel er in einer globalisierten Wirtschaft noch leisten kann.

Heißt das, der Staat kann den Mangel nur noch verwalten? Wozu braucht man dann noch Politik?

Trotz des historischen Ausmaßes der Krise sollten wir die Lage jetzt nicht in Schwarz malen. Vielmehr geht es darum, schon heute die Grundlagen zu schaffen, gestärkt aus dieser Krise herauszukommen. Entscheidend ist, dass wir mehr und klüger in Bildung investieren. Deshalb will die SPD einen Solidarbeitrag hoher Einkommen ausschließlich in die Bildung investieren. Die Starken geben etwas ab, damit alle Kinder klüger werden können. Das ist gerecht.

Wie will die SPD die Manager künftig stärker zur Kasse bitten, um zu verhindern, dass sie risikolos mit dicken Abfindungen abziehen?

Das haben wir zum Teil mit dem Gesetz zur Begrenzung von Managergehältern jetzt schon geschafft. Weiteres muss noch kommen. Auch bei den Punkten, bei denen die Union blockiert - wie der Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Abfindungen. Hier müssen wir weiter vorankommen.

Das Interview stammt aus der Juli-Ausgabe des vorwärts, die am 27. Juni erscheint.

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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