„Die Austritte schwächen den linken SPD-Flügel nicht“
Die Debatte um die Rolle des „Forums Demokratische Linke“ geht weiter. Mehrere prominente SPD-Mitglieder haben die Organisation verlassen, ihre Bedeutung scheint zu schwinden. Doch das schwäche den linken SPD-Flügel nicht, meinen Ralf Stegner und Carsten Sieling.
Der Paukenschlag erfolgte am vergangenen Freitag. Mit einem gemeinsamen Brief traten gleich fünf prominente Mitglieder aus der Demokratischen Linken (DL21) aus, darunter Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, der bayerische SPD-Vorsitzende Florian Pronold und der Außenpolitik-Experte Niels Annen. In dieser Woche hat auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion Christine Lambrecht die einst einflussreiche Organisation verlassen. Der Verein DL21 wurde im Jahr 2000 gegründet – unter anderem von Andrea Nahles – und versteht sich als Sprachrohr für linke Positionen in der SPD.
Die Austritte sind ein Rückschlag für die DL21. Doch der gesamte linke Parteiflügel werde dadurch nicht geschwächt, meint SPD-Vize Ralf Stegner: „Insgesamt bin ich fest davon überzeugt, dass die Parteilinke so erfolgreich ist wie noch nie. Wir haben nicht nur ein großartiges Wahlprogramm zustande bekommen – durch unseren Einfluss haben wir einen guten Koalitionsvertrag.“ Stegner ist selbst nicht Mitglied in der DL21, gilt aber als einer der prominentesten und einflussreichsten SPD-Linken.
Anlass für die Austrittswelle war eine Pressemitteilung, in der die DL21-Vorsitzende Hilde Mattheis Kompromisse beim Mindestlohn kritisierte. „Mit der Festschreibung des Mindestlohnes im Koalitionsvertrag hatten wir einen roten Apfel in die Hand bekommen und jetzt zeigt sich, dass der auf der einen Seite verfault ist“, sagte sie. Offenbar war dies der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Es gehe „nicht um diese eine Äußerung, sondern um eine Haltung“, stellten die Unterzeichner des Austritts-Briefes klar. Wiederholt hätten führende Vertreter der DL21 Erfolge der Parteilinken schlecht geredet. Linke Werte mit Leben zu füllen, wie durch die Einführung eines Mindestlohnes, schaffe aber mehr Vertrauen als abstrakte Debatten und maximaler Dogmatismus.
Stegner: „Kritik am Mindestlohn nützt nicht der linken Sache“
Gegenüber vorwärts.de äußert auch Ralf Stegner scharfe Kritik an dem umstrittenen Zitat von Hilde Mattheis: „Wenn man die Erfolge, die wir durchsetzen, öffentlich diskreditiert, wie mit Andrea Nahles Mindestlohn geschehen, dann nützt man nicht der linken Sache, sondern der politischen Konkurrenz.“ Es sei nicht linke Politik, alles abzulehnen, was nicht zu 100 Prozent der eigenen Position entspricht. „Mit 25 Prozent in der Bundestagswahl 100 Prozent SPD-Positionen durchzusetzen, das gibt’s nur in der irrealen Welt“, so Stegner.
Auch Carsten Sieling, Sprecher der „Parlamentarischen Linken“, kann die Kritik an der DL21-Führung nachvollziehen: „Die Pressemitteilung war ein schwerer politischer Fehler. Damit kein Missverständnis entsteht: Jede interne Debatte, jede harte Nachfrage zur Politik unserer Partei ist okay. Aber es geht nicht, dass man bei einem so wichtigen Projekt wie dem Mindestlohn mit derartigen Worten unsere Position in der Öffentlichkeit schwächt.”
Sieling: „DL21 wird nicht mehr Sprachrohr sein“
Die Parlamentarische Linke ist ein Zusammenschluss linker SPD-Bundestagsabgeordneter – und damit neben einigen linken Landesverbänden und Arbeitsgemeinschaften sowie den Jusos eine von vielen linken Gruppierungen in der Partei. „Die Austritte aus der DL21 schwächen den linken Flügel der SPD nicht. Wir sind breit aufgestellt und gut vernetzt“, meint auch Sieling. Die Bedeutung der DL21 als organisierendes Zentrum sei in den letzten Jahren leider immer stärker geschrumpft. „Jetzt hat sie nach meiner Einschätzung die Legitimation dazu endgültig verloren.”
Die Parteilinken werden jetzt diskutieren, wie sie sich zukünftig organisieren wollen, kündigte Sieling an. Die Demokratische Linke werde sich überlegen müssen, wie sie sich dabei konstruktiv in den Dienst an der Sache einbringen will. „Sie wird jedenfalls nicht mehr das Sprachrohr der SPD-Linken sein", ist Sieling überzeugt.
Und wie reagiert die DL21 selbst auf diese Debatte? Die umstrittene Pressemitteilung zum Mindestlohn findet sich nicht mehr auf der Internetseite der Demokratischen Linken. Dafür eine kurze Erklärung von Hilde Mattheis. Die Austritte bedauere sie sehr, schreibt sie dort. Und weiter: „Natürlich suche ich weiterhin das Gespräch. Denn eines muss klar sein: Unser gemeinsames Ziel ist eine starke Linke in der SPD.“ Zudem stellt sie auf Anfrage des vorwärts klar: „Meine Kritik an den Ausnahmen zum Mindestlohn war ausschließlich an unseren Koalitionspartner gerichtet.“
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.