Macit Karaahmetoglu könnte der erste türkischstämmige Bundestagskandidat der SPD in Baden-Württemberg werden. Dabei deutete lange nichts auf eine politische Karriere hin. Eine deutsch-türkische Erfolgsgeschichte
Es hätte alles ganz anders kommen können mit Macit Karaahmetoglu. Wären seine Eltern damals, Anfang der 70er Jahre, nicht aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Hätten sie nicht sechs Jahre später ihren 11-jährigen Sohn zu sich nach Hemmingen nachgeholt. Hätte er sich dort nicht von der Hauptschule bis zur Uni und zum Jura-Examen hochgearbeitet. Wäre er im vergangenen Jahr Landesminister geworden. Dann würde er sich nun nicht in Ludwigsburg um die Kandidatur für den Bundestag bewerben.
Doch es ist alles genauso gekommen. „Als ich 1979 nach Deutschland gekommen bin, konnte ich kein Wort Deutsch“, erinnert sich Macit Karaahmetoglu. Am 11. Juli 1968 in Rize am Schwarzen Meer geboren, hatte er dort die Grundschule besucht, ehe ihn seine Eltern ins schwäbische Hemmingen nachholten. Sie waren bereits sechs Jahre zuvor hierhergekommen, der kleine Macit lebte in dieser Zeit bei Verwandten in der Heimat. „Meine Eltern wollten eigentlich nur kurz in Deutschland bleiben, sind dann aber irgendwie hängengeblieben“, erzählt Karaahmetoglu.
Aus dem Spielmannszug in die eigene Rechtsanwaltskanzlei
Also musste auch er Deutsch lernen. „Meine Eltern haben gesagt, ich soll in den Sportverein gehen und mir deutsche Freunde suchen.“ Nach einem Jahr beherrschte er die Sprache. Und nicht nur die: Im Spielmannszug lernte Macit Karaahmetoglu Trompete zu spielen, im Sportverein Fußball und Tischtennis. Und auch in der Schule ging es bergauf. Nach dem Hauptschulabschluss erwarb Karaahmetoglu die Mittlere Reife und wechselte aufs Technische Gymnasium. Hier legte er den Grundstein für sein Jura-Studium, das er 1995 abschloss – nur dank des BAföGs wie Karaahmetoglu betont. Nach dem Referendariat eröffnete er seine eigene Kanzlei in Ditzingen.
„Ich gehöre zur großen Mehrheit der Einwanderer, bei der die Integration gelungen ist, von der man aber nur sehr selten hört“, sagt Macit Karaahmetoglu über sich selbst. Und: „Es gibt kaum jemanden, in dem sich die sozialdemokratischen Werte derart verkörpern wie in mir.“ Diese Erfahrungen prägen das politische Engagement des 44-Jährigen bis heute. „Vor allem im Bereich von Migration und Integration, Bildung und Betreuung kann ich aus eigener Lebenserfahrung ganz anders für die Zielgruppe sprechen, die wir als SPD gerade besonders ansprechen und fördern wollen.“
Ein Schubser von Sigmar Gabriel
Macit Karaahmetoglu tut das in verschiedenen Funktionen. Er ist Vorsitzender der SPD in Ditzingen, Mitglied im Landesvorstand der SPD Baden-Württemberg und Gründer von „SPD ve Biz“, einer Initiative, die es sich zum Ziel gemacht hat, Türkischstämmige für die Sozialdemokratie zu gewinnen. Im Landtagswahlkampf im vergangenen Jahr gelang das sehr gut: Zu einer Großveranstaltung in der Stuttgarter Liederhalle kamen damals 500 Deutsch-Türken, um mit Spitzenkandidat Nils Schmid und SPD-Chef Sigmar Gabriel zu diskutieren. Der war so begeistert von „SPD ve Biz“ und Macit Karaahmetoglu, dass er forderte: „Mit diesem Engagement muss der mehr in der Politik sein. Den brauchen wir und wir müssen ihn ein bisschen schubsen, denn er will noch nicht so recht.“
Gewollt hätte er wohl schon als die SPD kurz darauf gemeinsam mit den Grünen an die Landesregierung kam und der Posten des neu geschaffenen Integrationsministers besetzt werden musste. Hatte Karaahmetoglu noch Schmids „Schattenkabinett“ für diesen Bereich angehört, bekam nun die Berlinerin Bilkay Öney den Zuschlag. „Kein Minister, weil er ein Mann ist“, titelte tags darauf die „Bild“. Sollte er damals enttäuscht gewesen sein, hat sich Macit Karaahmetoglu sich das niemals anmerken lassen. „Das Integrationsministerium ist mit Bilkay Öney hervorragend besetzt“, sagt er auch heute.
Wenn die Ludwigsburger Genossen ihn zum Bundestagskandidaten nominieren, wäre Macit Karaahmetoglu der erste türkischstämmige Bundestagskandidat der SPD in Baden-Württemberg. Bisher gibt es eine Gegenkandidatin. Entschieden wird auf einer Wahlkreiskonferenz am 11. Oktober. „Ich bekomme viel Unterstützung für meine Kandidatur – nicht nur bei uns im Kreis, sondern auch weit darüber hinaus“, freut sich Karaahmetoglu. Die schwäbisch-türkische Erfolgsgeschichte kann also weitergehen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.