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Der Junge mit dem Bollerwagen schlägt den Kanzleramtsminister

Mit Bollerwagen, Lautsprecher und einer vier Meter großen Fahne zog Felix Döring durch seinen Wahlkreis in Hessen. So machte der SPD-Kandidat auf sich aufmerksam und gewann das Duell gegen Kanzleramtsminister Helge Braun um das Bundestagsmandat.
von Jonas Jordan · 18. Oktober 2021
Felix Döring ist direkt gewählter SPD-Abgeordneter im Wahlkreis Gießen.
Felix Döring ist direkt gewählter SPD-Abgeordneter im Wahlkreis Gießen.

„Guten Tag! Ich bin euer neuer Sportlehrer. Ich bin allerdings in den Bundestag gewählt worden. Deswegen haben wir heute unsere erste, aber schon unsere letzte Unterrichtsstunde zusammen.“ So stellte sich Felix Döring kürzlich seiner neuen und gleichsam alten Klasse vor. Der 30-Jährige war bislang Lehrer für Politik und Wirtschaft und Sport an der Gesamtschule Hungen bei Gießen. Doch seit dem 26. September ist klar: Der Sozialdemokrat aus Mittelhessen sitzt die kommenden vier Jahre im Bundestag. In seinem Wahlkreis gewann er das Direktmandat und setzte sich gegen Kanzleramtsminister Helge Braun durch.

„Die Devise war: jeden Tag ein Dorf“

Das hatte er schon bei seiner Nominierung Ende März angekündigt, auch wenn die Chancen zu diesem Zeitpunkt noch deutlich schlechter standen. Doch Döring sagt: „Ich hab ordentlich Krach gemacht, auf mich und die Wahl aufmerksam gemacht.“ Weil im Frühjahr aufgrund der Corona-Pandemie persönliche Begegnungen schwierig waren, entwickelte er die Idee, mit dem Bollerwagen im Wahlkreis unterwegs zu sein. Mit 50 Touren wurde er gewissermaßen hessischer Meister im Bollerwagenziehen. Stets mit dabei: eine vier Meter große Felix-Döring-Fahne und eine Lautsprecheranlage mit Mikrofon.

Mit dem Motto „Der Junge macht das.“ zog Döring los. „Die Devise war: jeden Tag ein Dorf“, sagt der neu gewählte Bundestagsabgeordnete, der nach dem Studium in Gießen wieder ins nahegelegene Pohlheim gezogen ist. Dort ist er aufgewachsen und dort wohnt er nun mit seiner Frau und seinem Hund. Die Vorliebe für den ländlichen Raum war auch im Wahlkampf ein Plus. „Ganz viele Haustüren und Fenster sind aufgegangen. Die Leute fanden das einfach toll und waren neugierig“, berichtet er von den Reaktionen auf seine Bollerwagentour, die er in ähnlicher Form auch künftig fortsetzen will.

0,8 Prozentpunkte vor Helge Braun

Dass er tatsächlich in den Bundestag einziehen würde, war keineswegs gewiss. Auf der Landesliste der hessischen SPD stand Döring nur auf Platz 17. Entsprechend liefen seine Planungen bis zum Wahltag zweigleisig. Für ihn war klar: „Dienstag sitze ich entweder bei meinen Achtklässlern im Unterricht oder im Deutschen Bundestag. Das waren beides Optionen, mit denen ich mich gut hätte anfreunden können. Ich liebe auch meinen Job als Lehrer und bin ein bisschen traurig, dem nicht mehr nachgehen zu können.“ Erst spät am Abend war klar, dass Döring sein Ticket nach Berlin buchen konnte. Er kam auf 30,4 Prozent der Erststimmen und lag damit 0,8 Prozentpunkte vor Braun.

Zwei Tage später stand die erste Fraktionssitzung an, was für ihn der bislang emotionalste Moment war. Denn diese fand im Plenarsaal des Bundestages statt. „Wenn man in den Raum rein geht, den man nur von Fotos aus dem Fernsehen kennt, diese blauen Stühle, das Rednerpult und die Regierungsbank sieht. Dann realisiert man: Hey, ich bin jetzt auch ein Teil des Ganzen. Das ist ein sehr schönes, aber auch sehr aufwühlendes Gefühl“, berichtet der hessische SPD-Bundestagsabgeordnete.

Zum Abschluss noch einmal Hockey

In genau einer Woche, am 26. Oktober, wird Döring wieder im Plenarsaal Platz nehmen, dann zur konstituierenden Sitzung des Bundestages. Zuvor ging er noch einmal eine Woche lang seinem Beruf als Lehrer nach. Donnerstagnachmittags in der siebten und achten Stunde Sportunterricht mit der eingangs erwähnten elften Klasse. Ein Hockeyspiel und er als Lehrer mittendrin. „Danach habe ich die Sporthalle abgeschlossen und gedacht, das war’s jetzt erst mal“, sagt er. Zumindest sportlich will sich der Fan des Fußball-Bundesligisten FSV Mainz 05 auch weiterhin betätigen, möglicherweise nun beim FC Bundestag. „Ich habe vor einiger Zeit gedacht, es wäre eigentlich auch mal wieder schön, in einem Verein Fußball zu spielen, also warum nicht im FC Bundestag?“

Auch dem Thema Bildung könnte Döring weiterhin treu bleiben, je nachdem, welchem Ausschuss er künftig angehören wird. Als Lehrer hat er den Lockdown während der Corona-Pandemie und das daraus resultierende Home Schooling hautnah mitbekommen. Vor allem aus dem zeitweise praktizierten Wechselunterricht zieht er eine Lehre: „Wir brauchen kleinere Klassen. Es ist einfach ein Unterschied, ob du 13 oder 26 Schüler in der Klasse vor dir hast.“

Döring selbst hat künftig 205 Klassenkamerad*innen in der SPD-Fraktion, 49 davon im Juso-Alter. „Das fühlt sich toll an, ist aber natürlich auch keine Sache, die wir zum Selbstzweck machen. Es verbindet sich auch mit einem politischen Anspruch, den wir ganz klar formulieren“, sagt er selbstbewusst. Dass er lautstark auf sich aufmerksam machen kann, hat er im Wahlkampf mit seinem Bollerwagen bewiesen.       

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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