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Der große Plan der Generale

von Michael Berger · 1. September 2009
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Schon seit etwa 1970 bewiesen die Forschungen vor allem jüngerer Historiker, dass die Wiederaufrüstung insgeheim lange vor der "Machtergreifung" Hitlers begonnen hatte. Das Dokument jedoch, das die Planung eines Revanchekrieges seit Mitte der zwanziger Jahre klar beweist, wurde nicht bekannt. Erst die Wiederentdeckung des von General Hans von Seeckt im Jahre 1923 initiierten Planes für den Aufbau eines 102 Divisionen starken Heeres entlarvte die Führung der Reichswehr als eine Clique von Revanchisten, die hinter dem Rücken von Regierung und Parlament die systematische Aufrüstung der Reichswehr vorantrieben.

Mehr als nur die Landesverteidigung im Sinn gehabt
Die 1997 im Militärarchiv in Freiburg aufgefundenen Dokumente mit dem Titel »WH 808 - Übersicht der Gesamtstärken und -Ausrüstung der Kommandobehörden und Truppeneinheiten des Feldheeres« brachten eines der am besten gehüteten Geheimnisse der deutschen Militärgeschichte ans Tageslicht. In Verbindung mit den aus russischen Archiven freigegebenen Dokumenten über die geheime Zusammenarbeit zwischen Reichswehr und Roter Armee widerlegten sie eine der größten Lügen der deutschen Geschichte: die Reichswehr hätte nichts weiter als die Landesverteidigung im Sinn gehabt und wäre erst durch Hitler als ein Werkzeug seiner Gewaltherrschaft missbraucht worden. In den fast zeitgleichen Diskussionen um die »Wehrmachtsausstellung« wurde diese Lüge in der breiten Öffentlichkeit als untauglicher Versuch der Konstruktionsbildung einer »sauberen Wehrmacht« demaskiert.

Geheimer Rüstungsplan: 2,8 bis 3 Millionen Soldaten in 102 Divisionen
Der Planungsstab der Reichswehr von 1923 orientierte sich an ehrgeizigen Zielvorgaben: ein Heer mit 2,8 bis 3 Millionen Soldaten in 102 Divisionen. Das Verblüffende an diesem geheimen Rüstungsplan war, dass das deutsche Heer am 1. September 1939 genau diese »Kriegsstärke« erreicht hatte. »Diese Arbeit war damals das Geheimste vom Geheimen«, so beginnt ein der Planungsakte im Jahre 1960 durch Generalleutnant a. D. Walter Behschnitt beigelegtes Handschreiben. Fünfunddreißig Jahre zuvor hatte Behschnitt als junger Hauptmann der Reichswehr gemeinsam mit anderen Offizieren dieses Planwerk erarbeitet.

Hinter dem Rücken des Parlamentes ?
Planung und Durchführung der Aufrüstung fanden unter Umgehung der Bestimmungen des Friedensvertrages von Versailles hinter dem Rücken des Parlamentes statt. Mit dem Abzug der Interalliierten Militärkommission (IMKK) im Februar 1927 konnten Reichswehrministerium und militärische Führung fortab frei von internationaler Kontrolle agieren. Die heimliche Rüstung war jedoch nicht unbemerkt geblieben. In ihrem Abschlussbericht nannte die Kommission die zahlreichen Verstöße der Reichswehr gegen den Friedensvertrag. Die Rede des SPD-Politikers Philipp Scheidemann vor dem Reichstag am 16.12.1926, in der er Einzelheiten über die Zusammenarbeit zwischen Reichswehr und Roter Armee enthüllte, verursachte einen Skandal und verstärkten das Misstrauen der Kritiker Deutschlands in Europa.

Sozialdemokratie verweigert Rüstungsausgaben
Zu diesem Zeitpunkt waren die Kriegsvorbereitungen auf deutscher Seite bereits in vollem Gange. Die geheime Rüstung begann nun auch auf politischer Ebene ein offenes Geheimnis zu werden. Die sozialdemokratische Opposition im Reichstag versuchte den durch die Reichsregierung verfolgten Kurs der »Wehrhaftmachung« zu verhindern, als sie im April 1927 den Etat wegen der enormen Rüstungsausgaben von 700 Mill. Reichsmark ablehnte. Einen Monat später begann die Reichswehrführung das offizielle Rüstungsprogramm in die Tat umzusetzen - Deutschland befand sich auf dem Weg in einen Militärstaat. Am 3. Februar 1933 machte Hitler seinen Antrittsbesuch bei der Reichswehrführung im Bendlerblock, bereitwillig schloss die Wehrmacht das Bündnis mit dem Nationalsozialismus.

In den nun folgenden Jahren unterstützte die Führung der Wehrmacht Adolf Hitler bei der Vorbereitung seines Vernichtungskrieges gegen die Völker Europas. Die Logistik des künftigen Krieges, einschließlich der Angriffsplanungen im Westen und Osten, lagen bereits ausgearbeitet in den Schubladen. Die militärische Führung war als Steigbügelhalter Hitlers nicht nur in die Verbrechen des Nationalsozialismus verstrickt, sie trug dafür die Verantwortung.

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