Im Kommunalwahlkampf setzt der Ortsverein Dresden-Neustadt auf eine gefühlsbetonte Kampagne. 

Es ist ungewöhnlich kalt für einen Tag im Mai – unter zehn Grad, und es regnet. Das Wetter für einen Straßenwahlkampf könnte besser sein. Aber deswegen den Wahlkampf zu unterbrechen, das kommt für Spitzenkandidat Vincent Drews und Wahlkampfhelfer Christian Winzer vom Ortsverein Dresden-Neustadt nicht in Frage. 

Am 25. Mai wählt Dresden einen neuen Stadtrat. „Und uns fehlen lediglich drei Mandate für einen Politwechsel, das müssen wir einfach schaffen“, sagt Vincent Drews und drückt einer vorbeieilenden Passantin seine Kandidatenkarte in die Hand. Der 26-Jährige ist seit 2011 Ortsvereinsvorsitzender der SPD in Neustadt, dem In-Viertel Dresdens. In dem von Gründerzeitbauten geprägten Stadtteil wohnen vor allem Studenten und junge Familien. Entsprechend jung ist auch der Ortsverein: Der Altersdurchschnitt liegt bei 36 Jahren.

Die Besitzfrage stellen

Gewählt wird in Neustadt vor allem Grün, im Rest der Stadt aber dominiert die CDU. Zusammen mit den Linken und den Grünen will die SPD die konservative Regierung im Stadtrat ablösen.

Wie wichtig ihnen diese Wahl ist, das zeigen auch die Details, mit denen die Genossen ihre Kampagne umgesetzt haben. Ihr Wahlkampfslogan: „Wem gehört die Neustadt?“ stellt die Besitzfrage, ein Thema, das im Viertel einen sensiblen Nerv trifft. Seit Jahren schnellen hier die Mietpreise in die Höhe. Nachdem Dresden 2006 sämtlichen kommunalen Wohnungsbesitz verkauft hat, um sich zu entschulden, hat sich die Situation noch verschlimmert. „Ich wohne in einer Wohnung. die einem US-Hedgefonds gehört. Die erhöhen jedes Jahr die Miete“, berichtet Drews. Christian Winzer, der wie sein Mitstreiter noch studiert, geht es in seiner WG nicht anders: „Alleine wohnen könnte ich mir hier nicht mehr leisten.“ Der Ortsverein setzt sich deshalb für den Bau von bezahlbaren Mietwohnungen ein. 

Aber der Slogan zielt nicht nur auf den Wohnungsmarkt. Auch Infrastruktur und Barrierefreiheit gehören zu den Themen, die in der Kampagne angesprochen werden. Auf der Kampagnenwebseite www.wem-gehört-die-neustadt.de sind sämtliche Forderungen des Ortsvereins hinter eigens entworfenen Logos veröffentlicht. Jedes Thema ist so kurz gefasst, dass es Platz findet auf den zur Kampagne gehörenden Postkarten, die in mehr als 30 Kneipen Neustadts in Postkartenständern stehen. Wie bei einem Memory lassen sich auf der Webseite neben den Logos auch die Fotos der neun Neustädter Kandidaten „aufdecken“. 

Dahinter verbergen sich persönlich geschriebene Vorstellungstexte, die jeweils den individuellen Bezug des Kandidaten zu seinem Viertel thematisieren. Auffällig ist der Kontrast zwischen den bunten Logos und den schwarz-weißen Kandidatenfotos. Auch die Plakate sind in Schwarz-Weiß gehalten. „Wir haben dieses Stilmittel bewusst gewählt, um uns von den anderen Parteien abzugrenzen“, erläutert Drews die Idee dahinter.

Von den anderen abgrenzen

Dazu gehört auch, dass auf einem Plakat immer mindestens zwei Kandidaten vor einem typisch Neustädter Motiv zu sehen sind. „Wir wollten einen gefühlsbetonten Wahlkampf, der zeigt, warum wir hier leben und was Neustadt für uns so besonders macht“, so der Ortsvereinsvorsitzende. Authentizität steht für die Genossen im Vordergrund. Der hohe persönliche Einsatz bei der Gestaltung der Webseite hat die Kosten gering gehalten. Die Logos und Fotos hat ein Genosse aus dem Ortsverein gemacht. „Und wir verzichten dieses Mal komplett auf Giveaways“, ergänzt Drews.

Zwei große weiße Pappwürfel, die Drews und Winzer an diesem Nachmittag am Albertplatz aufgebaut haben, gehören ebenfalls zu dem etwas anders gestalteten Wahlkampf. Statt Parteilogo fallen politische Forderungen ins Auge. Dass es sich um einen Wahlkampf der SPD handelt, ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. „Wir arbeiten nach der Methode des PR-Beraters Nafroth“, erklärt Drews. 2007 hat er an einem Seminar der Friedrich-Ebert-Stiftung zu dieser Art von Wahlkampf teilgenommen. Ein Konzept, das sich bewährt: „Um Infostände machen die Leute hier einen großen Bogen. Aber wenn ein großer weißer Würfel in der Gegend rumsteht, zieht das die Aufmerksamkeit auf sich, und wir kommen mit den Leuten ins Gespräch“, erklärt Drews, während sich die Regenwolken über Neustadt allmählich verziehen. 

Autor*in
Marisa Strobel

ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2013 hat sie beim vorwärts volontiert.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare