Kann man Demokratie wagen? To dare democracy? Das klingt sperrig. Schon die Übersetzung des berühmten Brandt-Zitats über das Englische ins Arabische und Hebräische stellte das politische Team
des
Willy Brandt Centers Jerusalem (WBC) vor eine schwierige Aufgabe. Nach langer Diskussion wurde klarer, was der Namensgeber des Zentrums in seiner
ersten Regierungserklärung damit gemeint hat: Demokratie braucht Mut und muss jeden Tag neu erarbeitet werden. Ein passendes Motto für die diesjährige Jahreskonferenz am 6. und 7. Dezember in
Talitha Kumi bei Jerusalem.
In Beiträgen, Reden und in Podiumsdiskussionen haben die KonferenzteilnehmerInnen mit kritischen WissenschaftlerInnen, JournalistInnen und PolitikerInnen schwierige Fragen erörtert. Wie
kann Demokratie verteidigt und ausgebaut werden? Wie kann man auf antidemokratische Tendenzen in Palästina, Israel und Deutschland reagieren? Wie können wir sozialdemokratische Werte verbreiten,
und welchen Aufgaben muss sich die Linke angesichts des stockenden Friedensprozesses stellen?
Begegnungszentrum auf der Grünen Linie
Zur Konferenz konnte das Willy Brandt Center viele Gäste begrüßen, unter anderem eine Juso-Delegation um die IUSY-Vizepräsidentin Cordula Drautz und den Juso-Bundesvorsitzenden Sascha Vogt,
den IUSY Generalsekretär Johan Hassel und Edan Kaushani Vizepräsident des International Falcon Movements. Besonders erfreut war das Team über die Teilnahme von Edelgard Bulmahn, Mitglied im
Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestags und ehemalige Bundesministerin für Forschung und Bildung.
Das Willy Brandt Center ist ein Begegnungszentrum im Stadtteil Abu Tor auf der Grünen Linie zwischen Ost- und West-Jerusalem - neutrales Gebiet sozusagen, zwischen israelischem und
palästinensischem Territorium, das noch beiden Seiten offen steht. Vor über zehn Jahren haben Vertreter der Jusos, der israelischen Arbeitsparteijugend (Awoda) und der palästinensischen
Fatah-Jugend sich entschlossen, sich als Jugendorganisationen der sozialdemokratischen Parteien zusammenzutun - inmitten des Nahost-Konflikts.
Künstler in der "Red Lounge"
Einige Jahre später stieß auch die israelische Meretz-Jugend hinzu. Über nationale Grenzen hinweg schmieden sie tagtäglich neue Friedensallianzen. Die Themen sind dabei so vielfältig und
komplex wie die Region. Im "Political Café" wird mit PolitikerInnen und politischen Analysten, mit Verbänden und Organisationen über gesellschaftliche Themen diskutiert -Informell und kontrovers.
In der "Red Lounge" stellen FilmemacherInnen, KünstlerInnen und Kreative ihre Werke vor. In dem Projekt "Waterfonie" nutzt der Künstler Ulay das steigende weltweite Bewusstsein für
Wasserknappheit durch eindrucksvolle Visualisierung und mobile Medientechnologie, um auf die fundamentale Rolle von Wasser für jeden Menschen und jede Gemeinschaft hinzuweisen. In der
Fotoausstellung "Hapoel Katamon: The Red Side of Soccer" kuratierte das Willy Brandt Center die Geschichte eines Fußballclubs und seiner Fans, die nicht nur die Besitzer des Vereins sind, sondern
die darüber hinaus die Überzeugung von sozialer Gerechtigkeit und Gewaltlosigkeit verbindet.
Unter dem Dach des Zivilen Friedensdienstes und in Kooperation mit dem forumZFD arbeiten mittlerweile drei Friedensfachkräfte in Jerusalem. Das Engagement des International Falcon Movement,
vertreten durch die sozialistische Jugend Deutschlands - Die Falken (SJD), bereichert die Arbeit des Centers seit einigen Jahren.
Preis für ein Musik-Projekt
Jüngster Erfolg des WBC ist ein Preis der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft (EVZ). Unter dem Titel "Cool Tools for Social Change" arbeiten junge Musiker gemeinsam an eigenen
Texten und Liedern. Eine CD ist gerade erschienen unter dem Titel: "True Love.The Israeli-Palestininan-German Hip Hop Hudna. Hudna ist arabisch und bedeutet Waffenruhe. Die Hip-Hopper, die hier
zusammen proben, kommen aus Welten, die direkt aneinander angrenzen, sich aber dennoch kaum fremder sein könnten. Mitveranstalter ist die Jerusalemer Musikinitiative "Heartbeat".
Es geht darum, Hip-Hop und andere städtische Kunstformen für sozialen Wandel einzusetzen. "Social Art" nennt sich das, wenn Kunst nicht nur als Form des Selbstausdrucks, sondern als Mittel
betrachtet wird, um über sich und die Gesellschaft zu reflektieren. Neben dem Projektschwerpunkt Hip Hop finden außerdem Street-Art-Workshops, alternative Stadtführungen, Filmvorführungen zum
Thema und Begegnungen mit VertreterInnen der lokalen Szene statt.
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