Parteileben

Dem Recht verpflichtet

von Marisa Strobel · 12. Dezember 2011

Seit zehn Jahren leitet Hannelore Kohl das oberste Parteischiedsgericht. Auf dem Bundesparteitag 2011 ist sie mit 97,2 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden.

Über ihre Person wie über ihre Kommission ist der Öffentlichkeit wenig bekannt. Das Interesse der Medien an Parteiordnungsverfahren und Satzungsstreitigkeiten hält sich üblicherweise in Grenzen. Anders vor drei Jahren: Da rückte Hannelore Kohl plötzlich ins Zentrum der Berichterstattung. Als Vorsitzende des obersten Parteischiedsgerichts lag in ihrer Hand die Entscheidung, ob Wolfgang Clement in der SPD bleiben dürfe oder nicht – ein brisanter Fall, der letztlich der Sache nach in einem Vergleich endete. Clement trat einen Tag später freiwillig aus der Partei aus.

Ein weiteres Ausschlussverfahren, das im April 2011 für öffentliche Aufregung sorgte, war der Fall Thilo Sarrazin, der ein überraschend schnelles Ende fand: Bereits auf Kreisverbandsebene einigten sich beide Seiten. Die Anträge zum Ausschluss Sarrazins wurden fallengelassen. Hannelore Kohl war mit dem Fall Sarrazin nicht betraut. Denn erst wenn ein Fall durch alle Instanzen gelaufen ist – also von der Schiedskommission des Kreisverbandes über die Schiedskommission des Landesverbandes – und keine Einigung gefunden werden konnte, ist Kohls Können gefragt.

Im Vorfeld des Clement-Ergebnisses spekulierte die Presse viel darüber, welchem Lager innerhalb der Partei Kohl wohl zugeordnet werden könne, um daraus eine mögliche Entscheidung abzuleiten. Fragen zu ihrer Person wies die 63-Jährige in diesen Tagen denn auch – stets freundlich, aber bestimmt – ab: „Das gehört da meines Erachtens nicht hin.“ Wie die staatlichen Gerichte auch sei die Schiedskommission neutral und innerparteilich unabhängig. „Egal welche eigene Meinung ich vielleicht habe, mein berufliches Selbstverständnis als unparteiische Richterin geht vor“, sagt Kohl.

Ihr Anspruch: stets neutral und unabhängig

Was schätzt sie besonders am Richteramt? „Bei Verfahren abzuwägen und aufzuklären, mein juristisches Fachwissen einzusetzen, um zu einem rechtskonformen Urteil zu gelangen.“ Ihre Richterlaufbahn beginnt die in Frankfurt am Main geborene Juristin 1978 am Verwaltungsgericht ihrer Geburtsstadt. Später wechselt sie an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel. 1997 dann der Karrieresprung: Vom Land Mecklenburg-Vorpommern wird sie zur Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts in Greifswald ernannt und ist damit die erste Frau Deutschlands in dieser Funktion. Seitdem lebt Kohl in Greifswald und will dort auch nach ihrer Pensionierung bleiben: „Ich fühle mich hier einfach sehr wohl“, sagt sie. Im Januar 2008 wird Kohl zudem an die Spitze des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern gewählt.

Mitglied der Bundesschiedskommission ist die Sozialdemokratin bereits seit 25 Jahren, 2001 übernimmt sie den Vorsitz von Diether Posser. Alle zwei Jahre – auf dem Bundesparteitag – werden die Mitglieder der Schiedskommission neu gewählt. 2009 erhält Kohl 99,3 Prozent der Stimmen – nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Gegenkandidaten höchst selten sind. „Wahrscheinlich sind alle froh, dass es Leute gibt, die bereit sind, solche Aufgaben zu übernehmen“, erklärt Kohl.

An gesellschaftlichen Diskussionen teilnehmen

Auch in ihrer Freizeit engagiert sie sich unermüdlich, ist unter anderem Vorstandsmitglied des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“, Stellvertretende Vorsitzende der Caspar-David-Friedrich-Gesellschaft in Greifswald und Mitherausgeberin der „Zeitschrift für Öffentliches Recht“. „Manches ist für mich Hobby. Häufig treibt mich aber auch das Bedürfnis, mich in gesellschaftliche Diskussionen einmischen zu müssen“, sagt Kohl. Für Termine der Bundesschiedskommission, eine ehrenamtliche Tätigkeit, opfert sie ihre Urlaubstage. Ausgleich zu den langen Arbeitstagen findet sie an den Ostseestränden: „Von Greifswald aus ist man schnell an den schönsten Orten, an denen andere Urlaub machen.“

Für ihre Arbeit als Bundesschiedskommissarin wünscht sie sich, künftig möglichst wenig zu tun zu haben: „Weil das bedeutet, dass es weniger Streit in der Partei gibt oder zumindest persönliche Streitigkeiten hinter dem gemeinsamen Anliegen zurücktreten. Das wäre für die Partei sehr wichtig.“

Autor*in
Marisa Strobel

ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2013 hat sie beim vorwärts volontiert.

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