In der vorwärts-Reihe „Gelebte Politik“ erzählt Walter Momper von seiner Bürgermeisterzeit im Berlin der Wende 1989-1990. Er schildert, wie er den Fall der Mauer erlebt hat, und warum er Christian Ströbele die Schuld am Auseinanderbrechen des Berliner Senats gibt.
Walter Momper schildert in der Reihe Gelebte Politik seinen Aufstieg in der Berliner – damals noch der West-Berliner – Politik. Er erzählt, wie er die dramatischen Tage um den 9. November 1989 erlebte. Walter Momper war damals der Mann im Auge eines politischen Sturms. Eines Sturms, der den Eisernen Vorhang aufriss und die Berliner Mauer einstürzen ließ.
Als Berlin im Zentrum der weltweiten Aufmerksamkeit stand, war Walter Momper das Gesicht der Stadt. Als Regierender Bürgermeister hatte er einen großen Anteil daran, dass in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 keine Schüsse fielen.
Dass er so in die Fußstapfen Ernst Reuters und Willy Brandts treten würde, konnte Walter Momper nicht ahnen, als er Mitte der 1960er Jahre als Student nach Berlin kam und dort 1967 der SPD beitrat. Aufgewachsen ist der 1945 Geborene in Bremen, aber „ich wollte immer nach Berlin.“
Als die Berliner SPD in den 1980er Jahren über ihre eigenen Füße stolpert, schlägt Mompers Stunde: „Es war halt kein anderer so richtig da.“ Er wird Landesvorsitzender und dann auch Spitzenkandidat bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus im Frühjahr 1989. Überrascht vom eigenen Sieg bildet er einen rot-grünen Senat – dem mehr Frauen als Männer angehören.
In der Weltpolitik überschlagen sich bald darauf die Ereignisse. In der DDR wächst der Widerstand gegen das SED-Regime. Michail Gorbatschows Politik der Perestroika führt zum Einsturz des Eisernen Vorhangs. Momper: „Von hinten kam der Sturm über die Mauer.“
Ende Oktober 1989 erfährt Momper in einem Gespräch mit Günter Schabowski, dass die SED plant, in Kürze die Ausreise aus der DDR freizugeben. Eigentlich will Schabowski rechtzeitig Bescheid geben. Doch dazu kommt es nicht. Am 9. November werden die Deutschen, in Mompers historischen Worten, über Nacht zum „glücklichsten Volk der Welt.“ 2013 fügt Walter Momper hinzu: „Sie sind es immer noch.“
"Lassen Sie die Trabis zu Hause"
Dass sich in der Nacht zum 10. November Ostberliner bald massenhaft auf dem Weg zu den Grenzübergangsstellen machen, hat mit Mompers Ankündigung im SFB zu tun: „Das ist der Tag, auf den wir 28 Jahre gewartet haben.“ Vor allem aber, wie er meint, mit seiner Aufforderung: „Lassen Sie die Trabis zu Hause, kommen Sie mit der U- und mit der S-Bahn!“ Die Ost-Berliner lassen sich nicht lange bitten.
Vor dem menschlichen „Tsunami“ bricht die Befehlskette der Volksarmee der DDR zusammen. Eine Revolution findet statt, und „es war überhaupt nicht klar und ich war froh, dass die friedlich zu Ende ging“. Daran hatten bedachte Menschen auf beiden Seiten der jetzt geöffneten Grenze ihren Anteil. Momper schildert, wie sich bald und quasi von selbst „eine Explosion der Kooperation“ entfacht, auf allen Ebenen der Verwaltungen in Ost und West. In Willy Brandts Worten: „Es wächst zusammen, was zusammengehört.“
Schon im Jahr darauf bricht Mompers Senat auseinander. Walter Momper verortet die Schuld daran bei Christian Ströbele, der von Bonn aus den Kurs der Berliner Grün-Alternativen diktiert habe. Zwei Versuche, ins Amt des „Regierenden“ zurückzukehren, scheitern. In der Ära Wowereit wird Walter Momper Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses und bleibt es bis 2011. Auf immer aber ist er der „Mann mit dem roten Schal“.
Info:
In der vorwärts-Reihe „Gelebte Politik“ berichten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die viel erlebt haben, über ihre Erfahrungen. Walter Momper erzählt im zehnten Teil der Serie über seinen Aufstieg in die (West-)Berliner Politik und die dramatischen Tage um den 9. November 1989. Interview: Uwe Knüpfer, Bearbeitung: Andi Kunze