Parteileben

„Danke für Dein Lebenswerk, Willy Brandt“

von Werner Loewe · 12. Dezember 2013

Zwei Bundespräsidenten, viele internationale Gäste und sehr persönliche Reden: Das war der Rahmen für den Festakt anlässlich des 100. Geburtstags Willy Brandts am Mittwochabend in Lübeck. Dem 1992 verstorbenen Jubilar hätte er wohl gefallen.

Willy Brandt – schon die große Anzahl von Festveranstaltungen zu seinem 100. Geburtstag überall in der Republik zeigt, welch hohes Ansehen, ja welche Verehrung dieser Jahrhundertpolitiker immer noch genießt. Und das auch über die deutschen Grenzen hinaus. Beim großen Festakt vor rund 1500 Gästen aus dem In- und Ausland in der Musik- und Kongresshalle von Brandts „Mutterstadt“ Lübeck traf sich folglich nicht nur die deutsche Sozialdemokratie.

Lübecks sozialdemokratischer Bürgermeister Bernd Saxe begrüßte im Namen der Stadt Besucher und Ehrengäste, und auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig verwies in seiner Begrüßung nicht ohne Stolz darauf, dass mit Joachim Gauck und dem Österreicher Heinz Fischer gleich zwei amtierende Bundespräsidenten als Ehrengäste anwesend waren. Eine kleine Anekdote aus Willy Brandts Leben hatte Albig auch noch parat: Ein Lehrer gab Willys Mutter den gut gemeinten Rat: „Halten Sie Ihren Sohn von der Politik fern, sie wird ihn ruinieren.“ „Gut, dass Eltern nicht immer auf Lehrer hören“, kommentierte Albig trocken.

Gegen alle Widerstände

Wolfgang Thierse als Vorsitzender des Kuratoriums der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung betonte in seinem Grußwort besonders die Ost-Politik Brandts – Mauerfall und Wiedervereinigung seien für ihn die Erfüllung von Brandts politischem Leben.

Bundespräsident Joachim Gauck erinnerte noch einmal daran, gegen welch starke Widerstände Brandt zu kämpfen hatte. Heutigen Schülern etwa dürfte kaum zu vermitteln sein, warum der Antifaschist und Emigrant Willy Brandt seinen Gegnern in der Bundesrepublik als Vaterlandsverräter galt. Brandt habe sich nie von der Vorstellung abbringen lassen, dass Deutschland Ost und West zusammengehören. Und Brandt habe ebenso keinen Zweifel daran gehabt, dass Deutschland weltpolitische Verantwortung zu übernehmen habe, sei es in der Entwicklungs- oder in der Umweltpolitik.

Gauck hob auch hervor, dass Brandt einst in Norwegen aufgenommen und eingebürgert wurde und bedankte sich ausdrücklich bei Jonas Gahr Støre, dem ehemaligen Außenminister Norwegens, der als weiterer Ehrengast danach die Zeit Brandts in Norwegen in das Blickfeld rückte: „Hitler ist nicht Deutschland. Das bewies Willy Brandt in Norwegen. Er war der andere Deutsche.“

Ein Leben lang Freunde

Hauptredner des Abends war der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer, ehemals enger Mitarbeiter des österreichischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky. Im schwedischen Exil hatte Kreisky den nach Norwegen emigrierten Brandt kennengelernt. Sie blieben ein Leben lang enge Freunde. In den 70er Jahren waren beide Regierungschefs in ihren Heimatländern – der Höhepunkt im politischen Leben der Emigranten Kreisky und Brandt. Zusammen mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme prägten sie entscheidend die sozialistische Internationale.

Die Beschäftigung mit globalen Problemen rückte immer stärker ins Zentrum von Brandts politischer Arbeit, etwa mit der Nord-Süd-Kommission, auch „Brandt-Kommission“ genannt, die sich besonders um die Probleme der Dritten Welt kümmerte. „Im Laufe seines Lebens ist er hinausgewachsen über die Grenzen seiner Partei und über die Grenzen seines Landes“, beschrieb Heinz Fischer die Entwicklung Brandts nach dessen Rücktritt als Bundeskanzler. „Er überbrückte auch die Kluft zwischen seiner Partei und vielen Intellektuellen. Weil er glaubwürdig war. Glaubwürdigkeit war eine der ganz großen Stärken von ihm. Danke, Willy Brandt, für Dein Lebenswerk.“ Das Auditorium bedankte sich für diesen einfühlsamen und sehr persönlichen Vortrag mit stehenden Ovationen.

Eine besondere, begeisternde Note gaben dieser Veranstaltung auch das Symphonieorchester des Johanneums Lübeck und die Bigband dieser Schule, auf der Willy Brandt 1931 das Abitur gemacht hatte. Auch dafür bedankte sich das Publikum mit Riesenapplaus. Ein eindringlicher, wundervoller Abend. Willy Brandt wäre wohl stolz gewesen.

Autor*in
Werner Loewe

ist Mitarbeiter der vorwärts-Redaktion, Geschäftsführer a. D. des vorwärts-Verlags und ehemaliger Landesgeschäftsführer der SPD Hamburg.

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