Parteileben

Daniel Stich: SPD sollte digitale und analoge Parteitage mischen

Sie werden schon „Cyber Sozis“ genannt. Die SPD Rheinland-Pfalz hat erstmals einen rein digitalen Parteitag veranstaltet. Generalsekretär Daniel Stich plädiert dafür, sie in der gesamten SPD zu verankern, inklusive Wahlen.
von Kai Doering · 27. August 2020
Mehr Beteiligungsmöglichkeiten für die Mitglieder: Die SPD Rheinland-Pfalz hat den ersten digitalen Parteitag ihrer Geschichte abgehalten.
Mehr Beteiligungsmöglichkeiten für die Mitglieder: Die SPD Rheinland-Pfalz hat den ersten digitalen Parteitag ihrer Geschichte abgehalten.

Am Montag hat die SPD Rheinland-Pfalz den ersten digitalen Parteitag ihrer Geschichte abgehalten. Sind Sie zufrieden?

Ja, sehr – vor allem, weil auch die Delegierten das Digitale als Mehrwert für sich entdeckt haben. Die Parteiarbeit lebt vom gemeinsamen Diskutieren. Das ist das, was die SPD ausmacht. Wenn das analog zurzeit nur eingeschränkt möglich ist, ist das Digitale eine schöne Möglichkeit, sich den Austausch untereinander zu bewahren und auch politische Ziele gemeinsam zu formulieren. Am Montag hat das – nicht nur technisch – sehr gut geklappt.

Haben Sie mit dem digitalen Parteitag aus der Not eine Tugend gemacht oder gab es schon vor Corona Pläne, digitaler zu werden?

Die SPD Rheinland-Pfalz hat schon vor einigen Jahren ihre Vision einer vernetzten Partei in einem Leitbild formuliert und verschiedene Dinge auf den Weg gebracht. Digitale Beteiligungsmöglichkeiten haben dabei von Anfang an eine Rolle gespielt und wir haben auch schon beim vorangegangenen, regulären Parteitag einiges ausprobiert – etwa ein Online-Voting über die Antragsreihung. Deshalb waren wir vielleicht etwas besser auf die derzeitige Corona-Situation vorbereitet als andere. Aber auch ohne Corona hätten wir sicher früher oder später mal ausprobiert, einen Parteitag digital stattfinden zu lassen. Corona hat das Ganze nun beschleunigt. Nach den Erfahrungen vom Montag rate ich auch der gesamtem SPD dazu, die Möglichkeit zu schaffen, digitale Bundesparteitage stattfinden zu lassen, einschließlich der Wahl von Vorständen.

Gab es Vorbilder für die Veranstaltung?

Nein, für einen digitalen Parteitag gibt es bisher keine Blaupause. Die Anforderungen sind ja schon recht groß und berühren Fragen des Parteienrechts ebenso wie unserer Satzung. Hinzu kommen die technischen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Und den Kostenrahmen darf so eine Veranstaltung auch nicht sprengen. Das war nicht ganz einfach, aber wir haben uns Stück für Stück vorgearbeitet und am Montag eine gute Premiere hingelegt, die vielleicht jetzt ein Vorbild für andere sein kann. Ich lege auch besonderen Wert darauf, dass es sich bei unserem digitalen Landesparteitag um einen richtigen Parteitag gehandelt hat. Und nicht nur um eine beliebige Online-Veranstaltung, die dann als Parteitag deklariert wurde.

Die Parteiführung hat nicht digital teilgenommen, sondern ist in einer Halle zusammengekommen. Warum?

Damit wollten wir vor allem Zusammenhalt demonstrieren. Wir hatten zwei herausgehobene Reden auf dem Parteitag – zum einen die unseres Landesvorsitzenden Roger Lewentz und zum anderen die unserer Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Das Parteitagspräsidium saß währenddessen wie gewohnt hinter den beiden. Damit wollten wir auch deutlich machen, dass wir sie und ihre Positionen gemeinsam tragen. Hinzu kam, dass die Vertreter der Presse den Wunsch hatten, vor Ort zu sein, um Fotos zu machen und O-Töne zu bekommen. Trotzdem haben sich alle, die in der Halle waren, auch digital an der Debatte und den Abstimmungen beteiligt.

Wie fühlt es sich an, vor einem digitalen Publikum eine Rede zu halten?

Das ist schon eine sehr ungewohnte Situation, an die man sich erstmal gewöhnen muss. Malu Dreyer hat nach dem Parteitag sehr treffend gesagt, er sei wie eine leckere Suppe, aber ohne Salz gewesen. Wir haben versucht, das etwas aufzufangen mit einem Interaktionstool, mit dem die Delegierten während der Reden ihre Unterstützung zeigen konnten. Das kann zwar keinen Applaus ersetzen, aber Malu ist auch ohne Publikum richtig gut in Fahrt gekommen und hat eine feurige Parteitagsrede gehalten.

Wie wurden die Delegierten auf das neue Format und das digitale Abstimmen vorbereitet?

Mit den Unterlagen haben wir einen Leitfaden an alle Delegierten verschickt, in dem erklärt wurde, wie der digitale Parteitag abläuft und worauf sie achten müssen. Am Sonntag vorher haben wir dann eine Art Generalprobe gehabt, bei der wir die Technik und alle Abläufe geprüft haben. Dabei haben wir auch offene Fragen der Delegierten beantwortet und sind schon mal kurz live gegangen. Das hat sehr geholfen und so hatten am Montag auch alle den Mut, sich zu Wort zu melden und mitzudiskutieren.

Wie wurde über die Anträge abgestimmt?

Dafür war eine spezielle Software im Einsatz mit der wir über einen persönlichen Zugangscode sichergestellt haben, dass alle Delegierten selbst abgestimmt haben. Damit haben wir den Vorgaben der Satzung entsprochen, was Online-Abstimmungen angeht.

Anträge zu beschließen ist digital erlaubt, Wahlen dagegen sind verboten. Wie gehen Sie damit um?

Die Hürden für die Listenaufstellung für die Landtags- oder Bundestagswahl sind höher, das stimmt. Da sind wir an das Landeswahlrecht gebunden, das digitale Verfahren bisher nicht vorsieht. Auch bei parteiinternen Wahlen gibt es Einschränkungen durch das Parteiengesetz. Ich hoffe, dass bald rechtliche Möglichkeiten geschaffen werden, dass künftig analoge wie digitale Parteitage gleichberechtigt möglich sind, mit all den Befugnissen, die Delegierte auch auf analogen Parteitagen haben.

Was versprechen Sie sich davon?

Ich kann mir gut vorstellen, dass es mehr Raum für Debatten gibt, wenn wir digitale und analoge Parteitage mischen. Und wir sprechen mit einem digitalen Angebot sicher auch Menschen an, die wegen ihres Berufs oder der Familie nicht so viel Zeit für Parteiarbeit haben. Der SPD als Mitmachpartei würde das sehr gut zu Gesicht stehen.

Können Sie sich vorstellen, dass Parteitage irgendwann nur noch digital stattfinden?

Ich glaube nicht, dass es so weit kommt. Die SPD lebt auch von ihrem großen Gemeinschaftsgefühl und dazu gehört, dass sich die Mitglieder regelmäßig sehen. Ich werbe aber schon dafür, dass wir uns die Möglichkeit digitaler Partizipation erarbeiten, damit wir von Fall zu Fall entscheiden können, ob wir uns im wahren Leben oder digital treffen. Beide Möglichkeiten zu haben, passt zu dieser Zeit und es passt zur SPD. Es ist an uns, eine kluge Mischung hinzubekommen.

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