Claudia Moll: Für den Wahlkampf musste die Altenpflegerin Urlaub nehmen
EM Aachen 2015
Haben Politiker den Draht zu den einfachen Leuten verloren? Manchmal liegt der Eindruck nahe. Ein Beispiel: die Bemerkung von CDU-Generalsekretär Peter Tauber, „wer etwas Ordentliches gelernt hat, braucht keine drei Minijobs“.
Wahlkampf im Urlaub
Darüber kann auch Claudia Moll nur lachen. Den Bezug zur Realität hat die Bundestagskandidatin im Wahlkreis StädteRegion Aachen sicher nicht verloren: 1968 in Eschweiler geboren, arbeitet die Mutter zweier Töchter seit 27 Jahren als examinierte Altenpflegerin. Für den Wahlkampf habe sie sich sechs Wochen unbezahlten Urlaub genommen. Mit den Terminen haue das anders nicht hin, erklärt sie. „Ich arbeite im Schichtdienst, auch am Wochenende.“
Es ist auch ihr Beruf, der sie zur Kandidatur gebracht hat. „In einem Spätdienst war ich mit 55 pflegebedürftigen Patienten alleine auf Station, musste sie pflegerisch versorgen“, erinnert sie sich. „Es war mein zehnter oder elfter Dienst am Stück. Um neun hatte ich Dienstschluss, um elf bin ich die Türe raus. Auf dem Weg nach Hause wurde mir klar, so geht das nicht weiter“, erzählt die 48-Jährige.
Pflege am Limit
Daraufhin habe sie CDU-Bundesgesundheitsminister Herrmann Gröhe eingeladen, doch mal einen Tag mit ihr zu arbeiten – unter ihren Bedingungen, versteht sich. Sie bekam eine Absage. Schade, erklärt Moll. Gerne hätte sie dokumentiert, was Pfleger leisten und dass sie am Limit sind.
Dabei gehe es nicht einmal um den Lohn. Dringend verändern müssten sich die Arbeitsbedingungen in der stationären Pflege, fordert sie. „Wir brauchen mehr gut ausgebildetes Personal.“ Mehr Geld fordert Moll auch für das Gesundheitssystem. Sie habe Bewohner, die könnten sich nicht einmal eine Brille oder ein Medikament leisten. Moll: „Das ist nicht in Ordnung.“
Der Wahlkampf macht ihr Spaß, sagt sie. Manchmal spüre sie Bedenken, ob sie das als Altenpflegerin im Bundestag auch packe. „Eine Altenpflegerin hat nicht den gleichen Stellenwert wie eine Bankangestellte“, so Moll. Das sei ein gesellschaftliches Problem. Es gebe aber auch andere Reaktionen, wissen die Jusos Nikolai Kues und Max Zitzen zu berichten. Die beiden sind täglich mit Moll auf Wahkampftour. Gerade weil sie Altenpflegerin sei, erhalte sie viel Respekt, sagt Kues.
Das Ziel: den Wahlkreis direkt gewinnen
Zitzen ergänzt: „Claudia kommt authentisch rüber, die weiß wovon sie spricht und muss sich nicht verstecken.“ Auch nicht in Diskussionsveranstaltungen mit ihrem Gegenkandidaten, der seit zwölf Jahren im Bundestag ist. Als Anwalt sei er ihr rhetorisch überlegen, sagt Moll. Aber das mache ihr keine Angst. Das Dreierteam will den Wahlkreis direkt gewinnen. Das wird ein hartes Stück Arbeit, weiß Claudia Moll. Aber auch das macht ihr keine Angst, denn arbeiten kann sie.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.