Ceta und die SPD: Ein Abkommen, viele Meinungen
Der Parteivorstand: Mit deutlicher Mehrheit (eine Gegenstimme, drei Enthaltungen) hat der SPD-Vorstand einen Leitantrag beschlossen, der die Zustimmung zum Ceta-Abkommen in seiner nachverhandelten Form empfiehlt. Fortschritte seien die Verankerung der Rechte der Parlamente sowie der Schutz sozialer und ökologischer Standards und der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Streichung privatwirtschaftlicher Schiedsgerichte zugunsten eines echten öffentlich-rechtlichen Handelsgerichtshofs wertet der Parteivorstand ebenfalls als Erfolg. Angemahnt werden Klarstellungen unbestimmter Rechtsbegriffe ebenso wie substantielle Änderungen, beispielsweise die Streichung der öffentlichen Daseinsvorsorge aus dem Kapitel über den Investitionsschutz für kanadische Unternehmen.
Die Grundwertekommission: In einem Positionspapier macht die von Gesine Schwan geleitete Kommission deutlich, dass ihrer Ansicht nach zentrale Forderungen des ersten Ceta-Konvents der SPD (September 2014) durch den vorliegenden Vertragsentwurf nicht erfüllt sind. Des gelte insbesondere im Bereich Investitionsschutz. Eine „transatlantische Handelsstruktur als Res privata, die dem Marktprozess anheimgestellt ist und im Wesentlichen von den privaten Marktakteuren selbst verwaltet wird“, lehnt die Grundwertekommission ab. Die Fortschritte in Fragen der Schiedsgerichtsbarkeit seien noch nicht ausreichend, außerdem würden Nachverhandlungen im Bereich der ILO-Kernarbeitsnormen nötig. Darüber hinaus sind laut Grundwertekommission weder Arbeitnehmerrechte noch die öffentliche Daseinsvorsorge hinreichend geschützt. Forderung: Aussetzung des vorläufigen Inkrafttretens von Ceta.
Die Landesverbände: Neben den Landesverbänden Bremen und Bayern kam in der Vergangenheit unter anderem aus Schleswig-Holstein und Hessen scharfe Kritik am Ceta-Kurs der Parteispitze. Ausschlaggebende Gründe aus Sicht der Bayern-SPD sind Schiedsgerichte, die einseitig die Interessen von Investoren gegenüber denen von Arbeitnehmern, Verbrauchern und dem Umweltschutz schützen sollen. Die Entscheidungshoheit der Parlamente werde eingeschränkt, das Vorsorgeprinzip aufgegeben. Der SPD Bremen fehlen unter anderem verbindliche Anforderungen bei den Passagen zur Geltung von Arbeitsnehmerrechten. Auch die Nicht-Ratifizierung von zwei ILO-Kernarbeitsrichtlinien durch den Vertragspartner Kanada steht einer Unterstützung des Vertragsentwurfs aus Sicht der Bremer entgegen. Raed Saleh, Chef der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, forderte eine SPD-Mitgliederbefragung zum Ceta-Abkommen. Andere einflussreiche SPD-Landesverbände wie der von Nordrhein-Westfalen unterstützen den Kurs der Parteispitze in Sachen Ceta.
Die Befürworter: Prominentester Befürworter des geplante Freihandelsabkommen – insbesondere nach der unter anderem von Sigmar Gabriel erreichten Nachbesserung – ist Frank-Walter Steinmeier. Er bezeichnete Ceta als „das wahrscheinlich beste und fortschrittlichste Handelsabkommen, das die EU jemals ausgehandelt hat.“ Ceta biete die Gelegenheit, „den Freihandel in unserem Sinne und nach unseren Werten auszugestalten.“ SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sieht ebenfalls die Chance, gemeinsam mit Kanada hohe Standards zu setzen. Diesem Urteil schließen sich unter anderem EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel an.
Die Kritiker: Mit der Aussage „kein sozialdemokratisches Mitglied eines Parlaments kann diesem Abkommen in der vorliegenden Fassung zustimmen“ setzte sich Matthias Miersch im August an die Spitze der Ceta-Kritiker innerhalb der SPD. Mittlerweile hat er diese Position in einem Streitgespräch auf vorwärts.de relativiert. Bei ihrer klaren Ablehnung bleiben unter anderem die SPD Bundestagsabgeordneten Marco Bülow und Hilde Mattheis. Während Bülow genau wie Saleh eine Mitgliederbefragung zu Ceta fordert, rief Mattheis in einem Zeitungsinterview wenige Tage vor dem Konvent SPD-Chef Gabriel dazu auf, Ceta scheitern zu lassen.