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Cannabis, Rente, Mobilität: Wo die Jusos von Olaf Scholz mehr fordern

Die Jusos starten mit ihrer Kampagne „Zukunft machen. Mit dir.“ zur Bundestagswahl. Im Gespräch mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz wird klar, wo Jusos und SPD auf einer Linie sind und wo die Jungsozialist*innen mehr fordern.
von Benedikt Dittrich · 14. Juni 2021
Jessica Rosenthal und Olaf Scholz im Gespräch bei der digitalen Juso-Jugendkonferenz.
Jessica Rosenthal und Olaf Scholz im Gespräch bei der digitalen Juso-Jugendkonferenz.

Gesundheit, Bildung, Mobilität, Klimaschutz – in vielen Punkten finden die Jusos und Kanzlerkandidat Olaf Scholz eine gemeinsame Linie. Doch in einigen Punkten, das wird nach knapp zwei Stunden Debatte zwischen der Juso-Vorsitzenden Jessica Rosenthal und weiteren Jusos mit Scholz klar, gibt es zwar ein gemeinsames Ziel, doch der Nachwuchs fordert mehr, will schneller vorangehen. Das fängt bei Themen wie der Legalisierung von Cannabis an, geht über Forderungen zu einem kostenlosen Nahverkehr bis hin zur Finanzierung der Rente.

Was ist drin im Zukunftsprogramm für die Jugend, für die Themen der Jusos und wo gibt es noch mehr zu holen? Darum ging es den Jusos am Samstagabend. Über einige Themen sprachen sie dabei mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz Klartext.

Öffentlicher Nahverkehr

Einer dieser Punkte, in denen die Jusos deutlich mehr fordern, ist der öffentliche Nahverkehr. Fahrscheinlos und beitragsfinanziert soll er aus ihrer Sicht sein. „Davon bin ich nicht ganz überzeugt“, gesteht Olaf Scholz. Eine Möglichkeit sei das, Modellprojekte stellte er für Ideen wie das „356-Euro-Ticket“ in Aussicht. Er wolle allerdings, dass Erwachsene weiterhin den Nahverkehr mitfinanzieren. „Aber der Beitrag muss überschaubar sein.“

Für Modellprojekte seien die Jusos zwar auch zu haben, versichert Rosenthal, als Teil der Daseinsvorsorge wünschen sich die Jusos für den Nahverkehr aber mehr als nur Modellprojekte. Der Ausbau des Nahverkehrs habe allerdings Priorität, pflichtet Rosenthal einer weiteren Forderung des Kanzlerkandidaten bei.

100-Tage-Programm

Kniffelig wird es bei der Frage, was Olaf Scholz als Bundeskanzler in den ersten 100 Tagen gerne umsetzen würde. „Nur gut vorbereitete Dinge“, antwortet er zunächst knapp, ergänzt dann aber konkrete Vorhaben: Den Mindestlohn auf zwölf Euro anheben, die Ausbauziele für Erneuerbare Energien erhöhen, den Ausbau der Stromnetze beschleunigen. Da stupst Jessica Rosenthal noch zwei Dinge an: „Kindergrundsicherung, können wir uns darauf vielleicht auch einigen?“, schickt sie mit einem Lächeln in Richtung Olaf Scholz, ebenso wie die Abschaffung des Paragrafen 218, der den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellt. „Das ist schon gut vorbereitet“, lässt Scholz dabei durchblicken.

Schwieriger wird es beim Thema Cannabis. Da will sich Olaf Scholz nicht auf eine Legalisierung einlassen, verweist aber auf das Zukunftsprogramm, in dem das ebenfalls positiv gesehen wird. Dass die Sätze dazu allerdings recht unkonkret seien, gibt er selber zu. Er wolle sich den politischen Positionen zuwenden, verspricht er. Die Vorarbeit der Jusos lobt er dabei explizit. Schmunzeln müssen Scholz als auch Rosenthal außerdem über ein Video der Jusos Weser-Ems, die anhand von schwarzem Tee eine Anleitung zum Bauen eines Joints vorlegen – um so der Juso-Forderung Nachdruck zu verleihen. „Das ist das erste Mal, dass ich so eine Anleitung sehe", sagt ein grinsender Scholz, der nach eigenen Angaben in seiner Jugend damit nie etwas zu tun hatte.

Rente mit 68? Auch für die Jugend nicht

„Ich bin strikt dagegen“, sagt Olaf Scholz, als es dann um das Renteneinstiegsalter geht, dass die Union möglichkicherweise anheben will. Auch aus der Perspektive der Jugend sieht er da eine große Ungerechtigkeit. Schließlich würde man jetzt schon fünf Jahrzehnte bis zur Rente arbeiten und es brauche Vertrauen dafür, dass man dann, mit 67, von dieser Arbeitszeit finanziell auch etwas habe. Stattdessen will er eine höhere Beschäftigungsquote erreichen. „Wir müssen gucken, was da noch geht“, sagt er mit Blick auf Berufe für Frauen, ältere Menschen und Migrant*innen.

Jessica Rosenthal will zusätzlich diejenigen stärker zur Kasse bitten, die von Vermögen und Erbschaften leben. „Wir arbeiten irgendwannn bis zum Tod“, formuliert sie drastisch. Mit Vermögensteuer und ähnlichen Maßnahmen solle das bestehende System stabilisiert werden.

Vorfreude auf den Wahlkampf

Viele weitere Themen, von der Bildung über die Krisenbewältigung bis hin zum Klimaschutz, wollen die Jusos in den kommenden Monaten im Wahlkampf thematisieren – und am Ende gemeinsam mit Olaf Scholz mit möglichst vielen Kandidat*innen in den Bundestag und letztlich die SPD ins Kanzleramt bringen. Auch 80 Juso-Kandidat*innen kämpfen direkt um einen Platz im Bundestag. Weder die Juso-Vorsitzende noch der Kanzlerkandidat machten einen Hehl daraus, dass sie den Beginn des richtigen Wahlkampfs kaum noch erwarten können.

Am Ende blieb dann aber doch noch ein kritischer Punkt: Die jüngste Entscheidung der aktuellen SPD-Bundestagsfraktion, den Einsatz eines Staatstrojaners zur Überwachung im Netz zu ermöglichen, stößt auf heftige Kritik. Auch Rosenthal ist nicht glücklich über die Abstimmung. „Ich hätte auf jeden Fall mit nein gestimmt“, so die Juso-Chefin. Das Thema sei in der Partei umstritten, so Rosenthal weiter, entsprechend hätte sie sich eine Diskussion darüber in der Partei gewünscht. Olaf Scholz indes verteidigte die Abstimmung der SPD-Bundestagsfraktion. Er sieht es als notwendig an, Nachrichtendiensten ähnliche Überwachungs-Möglichkeiten im digitalen Raum zu ermöglichen, wie es sie bereits beim Abhören von Telefonen gibt.

Aber natürlich könne man darüber unterschiedlicher Meinung sein. „Wir könnten stundenlang darüber diskutieren“, gibt er zu.

Die gesamte Jugendkonferenz zum Nachschauen – das Gespräch mit Olaf Scholz beginnt ab ca. 1 Stunde und 40 Minuten:

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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