Parteileben

Burkhard Lischka: „Wir müssen die SPD sichtbarer machen“

Die SPD Sachsen-Anhalt hat Burhkard Lischka am Wochenende zum neuen Vorsitzenden gewählt – mit 96 Prozent. Im Interview mit vorwärts.de sagt er, worauf es bei den Koalitionsverhandlungen mit CDU und Grünen ankommt und wie sich die SPD verändern muss, um wieder attraktiv zu sein.
von Kai Doering · 6. April 2016
Burkhard Lischka, Vorsitzender der SPD Sachsen-Anhalt
Burkhard Lischka, Vorsitzender der SPD Sachsen-Anhalt

Die SPD in Sachsen-Anhalt ist in einer schwierigen Situation: Nach dem Debakel bei der Landtagswahl muss sich die Partei neu aufstellen. Gleichzeitig verhandelt sie mit CDU und Grünen über die Bildung einer „Kenia-Koalition“. Die Hoffnungen ruhen auf dem neuen Vorsitzenden Burhard Lischka. Ein Sonderparteitag hat ihn am Samstag mit 96 Prozent gewählt.

Wie war der Auftakt der Koalitionsgespräche mit CDU und Grünen?

Unsere Gespräche sind sehr sachlich. Alle Seiten wissen, dass sie jetzt nicht die Grundlage für eine Liebesheirat legen, sondern für eine Vernunftehe. Allerdings ist Vernunft in einer Zeit, in der die AfD versucht, unser Land zu spalten und das Klima zu vergiften, auch nicht das Schlechteste. Sachsen-Anhalt braucht eine handlungsfähige Regierung und CDU, Grüne und wir haben den festen Willen, sie dem Land zu geben.

Auf dem Landesparteitag am vergangenen Samstag hat die SPD klare Forderungen an eine künftige „Kenia-Koalition“ formuliert. Finden die sich in den bisherigen Gesprächen wieder?

Auf jeden Fall. Eine Regierungsbildung findet zu dem Zweck statt, gute Politik zu machen. Deshalb haben wir diese sechs Punkte formuliert. Ohne diese Punkte, nämlich z.B. mehr Personal bei Lehrern und Polizisten, eine bessere Finanzausstattung der Kommunen und Hochschulen sowie ein kommunales Beschäftigungsprogramm,  wird die SPD nicht für eine Koalition zu haben sein.

Der Parteitag hat der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit 90 Prozent zugestimmt, obwohl es Befürchtungen gibt, die SPD könnte weiter an Profil verlieren. Ist das gerechtfertigt?

In der Opposition zu sein, führt nicht automatisch dazu, dass man bei der nächsten Wahl  einen grandiosen Sieg einfährt. Dafür gibt es reichlich Beispiele. In Sachsen-Anhalt sind wir mit der AfD, die 25 Plätze im Landtag errungen hat, in einer besonders schwierigen Situation. Wenn sich die SPD jetzt einer Regierungsbeteiligung verweigert, kommt es ziemlich sicher zu Neuwahlen. Selbst wenn die SPD dabei ein paar Punkte zulegen würde – was ich ehrlich gesagt bezweifle – würde das nichts an der Gesamtsituation ändern. Auch dann müsste sich die SPD entscheiden, ob sie in eine Regierung geht oder nicht. Deshalb müssen wir jetzt den Spagat hinbekommen, auf der einen Seite eine vernünftige Regierung zu bilden, uns auf der anderen Seite aber auch von Grund auf neu aufzustellen. Als kleiner Partner muss es uns gelingen, sozialdemokratische Erfolgsgeschichten zu erzählen und den Menschen das Gefühl zu vermitteln, dass sich die SPD um ihre Alltagssorgen kümmert und Antworten in praktischer Politik gibt.

Bei der Wahl am 13. März hat die SPD Sachsen-Anhalt mit 10,6 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren. Wo sehen Sie die Gründe?

In den kommenden Wochen und Monaten wird uns genau diese Frage beschäftigen. Es ist nicht allein Sache des Landesvorsitzenden, des Vorstands und der Fraktion, diese Wahlniederlage aufzuarbeiten. Das wird die gesamte Partei übernehmen und zwar von unten nach oben. Jede und jeder soll sich beteiligen können. Wir müssen klar analysieren, was wir falsch gemacht haben: und zwar nicht nur im Wahlkampf, sondern in den letzten Jahren. Außerdem müssen wir vor allem Wege finden, wie die SPD wieder sichtbarer wird.

Haben Sie das Gefühl, die SPD wird nicht wahrgenommen?

Zumindest hat die SPD in den letzten fünf Jahren nicht nach außen erkennbar die Politik gemacht, für die sie eigentlich stehen sollte. Es gab widersprüchliche Signale, es gab Streitereien untereinander. Die SPD hat sich im Regierungshandeln aufgerieben, indem sie meinte, jedes Problem selbst lösen zu müssen. Dabei sind die klaren Botschaften zum Teil auf der Strecke geblieben und die Menschen haben das Gefühl bekommen, dass wir sie mit ihren Problemen nicht wahrnehmen.

Was folgt daraus?

Die SPD ist gut beraten, in Zukunft mehr mit den Menschen zu sprechen als über sie. Sie muss nicht immer komplett fertige Antworten haben, aber sie sollte das Gefühl vermitteln, dass sie zuhört und sich um den Alltag der Menschen kümmert. Wir müssen glaubhaft dafür stehen, die Lebenssituation der Menschen in Sachsen-Anhalt zu verbessern.

Sie haben gesagt, die SPD soll die Wahlniederlage „von unten nach oben“ aufarbeiten. Wie soll dieser Prozess aussehen?

In der ersten Sitzung des neuen Landesvorstands direkt nach dem Parteitag haben wir festgelegt, dass wir bis zu den Sommerferien jeden Ortsverein im Land besucht haben wollen. Wir wollen von den Mitgliedern vor Ort erfahren, wie sie die Situation der SPD einschätzen und welche Ideen sie haben, die Partei neu aufzustellen und stärker zu machen. Außerdem soll noch vor den Sommerferien eine Vollversammlung aller Mitglieder stattfinden, bei der Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen eingerichtet werden. Sie sollen nicht nur die Fehler der Vergangenheit analysieren, sondern vor allem Zielvorgaben der Basis für die Parteiführung festlegen. Die Basis soll ihre Meinung sagen, wie die SPD sichtbarer wird und mit welchen Themen wir bei den Menschen Vertrauen zurückgewinnen wollen. Ich vertraue dabei voll auf die Ideenwerkstatt SPD mit ihren klugen Köpfen.

Sie haben auf dem Parteitag betont, dass sie sich nur als Übergangsvorsitzenden sehen. Haben Sie nicht richtig Lust auf die Aufgabe?

Doch, sonst hätte ich mich nicht zu Wahl gestellt. Und die 96 Prozent Zustimmung, die ich erhalten habe, freuen mich sehr. Das Ergebnis hat mir auch nochmal klar gemacht, dass ich mich in der aktuellen Situation nicht wegducken kann. Allerdings habe ich auch immer gesagt, dass es kein richtiger Neuanfang ist, wenn jemand, der schon seit vielen Jahren Verantwortung in der SPD Sachsen-Anhalt übernommen hat und die Partei auch auf Bundesebene vertritt, meint, dauerhaft Landespolitik machen zu müssen. Ich bin mir sicher, dass wir genügend tolle Persönlichkeiten in der SPD im Land haben, die Verantwortung übernehmen können. Deshalb möchte ich nach der Aufarbeitung des Wahlergebnisses und einer gewissen Konsolidierung den Staffelstab des Parteivorsitzenden weitergeben.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare