Die SPD-Spitze tourt durch Deutschland, um den Menschen ihre Fragen zu beantworten. Am Freitag war Parteichef Sigmar Gabriel in Magdeburg. Ein Ortsbesuch
Damit hat er nicht gerechnet. "Ich hätte nie geglaubt, mal bei einer SPD-Veranstaltung zu sprechen", sagt der Mann, der eben noch neben der Bühne ein Schild hochgehalten hat, um gegen die Kürzung des Blindengelds in Sachsen-Anhalt zu protestieren. Nun hat ihn Sigmar Gabriel auf die Bühne geholt, damit der Mann ihm und den rund 300 Leuten auf dem Alten Markt von Magdeburg erklärt, worum es ihm genau geht.
Es ist Freitagabend und der SPD-Parteichef redet "Klartext" unter freiem Himmel. Unter diesem Titel touren Gabriel, Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier bis zur Bundestagswahl am 22. September durch die Republik, um mit den Menschen zu sprechen. Statt langer - und vielleicht langweiliger - Reden geht es um Antworten auf die Fragen der Wähler.
Griechenland, die PDS und ein Zahnarzttermin
Das Blindengeld ist dabei eines von vielen Anliegen, die an diesem sonnigen Abend im Spätsommer an Gabriel herangetragen werden. "Müssen wir weiter für Griechenland bezahlen?", will etwa ein junger Mann im Cord-Sacko mit Hipster-Bart wissen. "Wie stehen Sie zu einer Koalition mit der PDS?", fragt ein anderer Mann mit grauem Haar. Und ein dritter ereifert sich: "Warum sind Sie wieder aus Magdeburg weggezogen? Hat es Ihnen hier nicht gefallen?"
Gerade Fragen wie diese machen dem SPD-Chef Spaß. "Meine Frau hat ein super Angebot bekommen, in Goslar eine Praxis zu übernehmen. Deshalb sind wir weggezogen." Außerdem könne er sich so besser um seine pflegebedürftige Mutter kümmern. Und dann erzählt Gabriel noch, wie seine Frau, die Zahnärztin, und er sich damals kennengelernt haben, wie sie im Notdienst seine Zahnschmerzen behandelt haben. "Eine, die mir so auf den Zahn fühlt, musste ich einfach näher kennenlernen."
"Gehen Sie wählen!"
Doch dann wird Gabriel ernst als er erklärt, warum es keine reine Nettigkeit sei, Griechenland und andere verschuldete Staaten in Europa zu unterstützen. "Wenn es den anderen schlecht geht, werden sie bei uns nichts kaufen", erklärt der Parteichef den Menschen, die vor ihm auf roten Bierbänken sitzen. Und plötzlich nickt auch die Frau mit grauen Haaren und grüner Weste, die eben im Gespräch mit ihrem Nachbarn noch gefordert hat, das Geld lieber in kaputte Straßen in Deutschland zu stecken, "statt es den Griechen hinterherzuwerfen".
Dabei sind auch die Straßen Gabriels Anliegen. "Bildung, Kommunen und Infrastruktur - das sind die drei Bereiche, für die wir deutlich mehr Geld ausgeben müssen", fordert er. "Und dafür werden wir die Steuern für diejenigen, die viel verdienen, etwas erhöhen müssen." "Genau so isses", sagt die Frau in der Weste. Und auch ihr Nachbar nickt heftig.
Um kurz nach sieben ist die Sonne untergegangen, es wird kühler. Bevor Sigmar Gabriel geht, hat er noch eine Bitte: "Gehen Sie am 22. September wählen", sagt er zu den Menschen auf dem Magdeburger Marktplatz. Das Wahlrecht sei ein Gut, "das wir ein wenig höher schätzen sollten". Bis zur Bundestagswahl sind es noch drei Wochen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.