Bundestag nimmt Abschied von Thomas Oppermann
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Es ist nicht oft der Fall, dass im Bundestag Musik zu hören ist. Das Parlament ist der Ort der Debatte, der Auseinandersetzung mit Worten. Dass einer der Abgeordneten an diesen Debatten nicht mehr wird teilnehmen können, weil er am Sonntagabend völlig unerwartet verstorben ist, erschütterte Politik und Gesellschaft.
Und so ist Thomas Oppermann an diesem Mittwochmittag nur noch als Bild im Bundestag anwesend, sein Platz als Abgeordneter ist mit einem schwarzen Tuch verhüllt. Es ist an diesem Tag der Platz in der zweiten Reihe, neben dem Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer Carsten Schneider und der Parteivorsitzenden Saskia Esken. Oppermanns letzter Arbeitsplatz als Bundestagsvizepräsident, über dem Rednerpult, bleibt bei der Gedenkfeier ebenfalls unbesetzt.
Mützenich: „Er war ein feiner Kerl“
Die Nachricht von seinem Tod, so sagt es SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, sei ein Schock gewesen. „Er war ein Stratege, ein Gestalter, ein Energiebündel. Er war ein feiner Kerl. Er wird uns fehlen.“ Auch wenn es kein Geheimnis gewesen sei, dass Thomas Oppermann gerne Bundesminister geworden wäre, so sei er doch trotzdem mit Leib und Seele Bundestagsabgeordneter gewesen. Scharfe Debatten unter Einhaltung der Regeln und Respekt gegenüber dem Parlament, so fasst Mützenich den Politiker Oppermann zusammen – und sagt über den Genossen: „Er war ein Mensch, mit dem es nie langweilig wurde.“
Es ist der „feine Humor“, auf den sowohl Mützenich als auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble an diesem Mittwochmittag verweisen, der Oppermann als Mensch auszeichnete. Und beide, SPD- und CDU-Politiker, loben den Verstorbenen für seinen Scharfsinn ebenso wie für seine klare Sprache, für sein Talent, Kompromisse zu finden und auszuhandeln und gleichzeitig hart in der Sache zu diskutieren. Seine Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten, so Schäuble, sei Ausdruck der überparteilichen Wertschätzung Oppermanns gewesen.
Diese Wertschätzung zeigt sich auch auf der Besucher-Tribüne: Neben seiner Lebensgefährtin und drei seiner Kinder haben zahlreiche politische Weggefährt*innen auf den Bänken über den Abgeordneten Platz genommen – darunter Ex-Kanzler Gerhard Schröder, die Ex-SPD-Chefs Andrea Nahles und Sigmar Gabriel, der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck, der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert sowie Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sitzt dort, bis zu seinem Tod pflegte er eine enge Freundschaft zu dem Göttinger Oppermann.
Lob und Anerkennung für Thomas Oppermann
Thomas Oppermann wollte eigentlich mit dem Ende der Legislaturperiode aus der Politik ausscheiden – und dann noch etwas ganz anderes anfangen. Dass ihm das, im Alter von 66 Jahren, nun nicht mehr vergönnt war, bedauerten sowohl Schäuble als auch Mützenich. „Sein jäher Tod durchkreuzte diese Pläne auf tragische Weise“, so Schäuble, der in seinem Schlusssatz noch einmal betont, wie sehr sich Oppermann um die Demokratie und das Parlament in Deutschland verdient gemacht hat. „Wir sind dankbar“, sagt Mützenich im Namen der SPD-Fraktion, bevor er sich vor dem Porträtbild des Sozialdemokraten verneigt, „dass wir einen Teil unseres Weges gemeinsam mit Thomas gehen konnten, Seit an Seit.“
In diesem Parlament, in dem sonst so viel gesprochen, geredet, diskutiert und gestritten wird, haben bei der Trauerfeier dann die Streicher das letzte „Wort“: Mit „Let it be“ von den Beatles, gespielt in einer instrumentalen Version mit Violine, Violoncello und Bratsche, nimmt der Bundestag Abschied von Thomas Oppermann.