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Bundestag im Umbruch: Warum viele SPD-Abgeordnete noch kein Büro haben

Der Mega-Bundestag ist es nicht geworden, aber trotzdem gibt es mehr Abgeordnete als jemals zuvor. Gerade die SPD-Fraktion ist gewachsen, die Büros fehlen aber noch. Bis dahin sind kreative Lösungen gefragt – wie bei der Landesgruppe Sachsen.
von Benedikt Dittrich · 7. Oktober 2021
Im Paul-Löbe-Haus sind viele Abgeordnete mit ihren Bundestags-Büros untergebracht – doch wer welche Räume bekommt, darüber verhandeln die Fraktionen noch.
Im Paul-Löbe-Haus sind viele Abgeordnete mit ihren Bundestags-Büros untergebracht – doch wer welche Räume bekommt, darüber verhandeln die Fraktionen noch.

Das Bundestagsbüro der ehemaligen Dresdner SPD-Abgeordneten Susann Rüthrich sind gerade extrem gefragt. Die 44-Jährige ist zwar nicht mehr im Parlament vertreten, doch ihre Büroräume sind so etwas wie der gemeinsame Hafen der neuen sächsischen Bundestagsabgeordneten. Abgesehen von Detlef Müller aus Chemnitz sind nämlich alle anderen SPD-Abgeordneten der Landesgruppe Sachsen neu im Bundestag: Rasha Nasr, Carlos Kasper, Nadja Sthamer, Fabian Funke, Kathrin Michel, Holger Mann und Franziska Mascheck – sie alle wurden gewählt, haben aber noch keine Büros in Berlin. Während Nasr aller Voraussicht nach als Nachfolgerin für Rüthrich in Dresden auch ihr Büro beziehen wird, ist bisher noch unklar, wo die übrigen Abgeordneten einziehen werden.

Den Anspruch auf Büros in einem Gebäude des Bundestags haben alle Abgeordneten. Doch offiziell gilt dieser Anspruch erst nach der konstituierenden Sitzung des Bundestags am 26. Oktober. Bis dahin sind kreative Lösungen gefragt.

„Teamspirit“ bei der Landesgruppe Sachsen

„Die Termine in Berlin sind noch überschaubar“, kann Carlos Kasper berichten. Zwar gebe es schon erste Gespräche und Einladungen, zum Beispiel von Gewerkschaften, berichtet der sächsische Neu-Abgeordnete. „Aber dafür brauche ich zum Glück noch kein Büro.“ Kasper vertritt künftig den Wahlkreis Chemnitzer Umland – Erzgebirgskreis II, er zog bei der Wahl über die SPD-Landesliste ein. Kasper freut sich schon jetzt über den „Teamspirit“ unter den sächsischen SPD-Abgeordneten, schließlich kenne man sich in der Landesgruppe untereinander bereits. „Wir sind ja ein eher kleiner Landesverband“, sagt Kasper im Gespräch mit dem „vorwärts“.

Einen Büroleiter hat er schon, ansonsten ist Kasper wie auch andere neue Abgeordnete gerade noch dabei, sein Team zusammenzustellen. Und so wie Kasper befindet sich im Grunde der gesamte Deutsche Bundestag organisatorisch gerade in einer Übergangsphase: Ehemalige Abgeordnete räumen ihre Büros, Nachfolger*innen suchen teilweise noch Personal, wiedergewählte Abgeordnete melden Umzugswünsche an – denn nicht jedes Bundestags-Gebäude ist gleich gut erreichbar. All das muss innerhalb der Fraktion gerade unter einen Hut gebracht werden.

In dieser Umbruchphase werden dann einzelne Büros wie das von Susann Rüthrich für mehrere Abgeordnete gleichermaßen zum Treffpunkt, zur Garderobe, zur Poststation und zum Café. Wer Termine in Berlin hat, kann seine Sachen hier ab- oder eine Pause einlegen, heißt es von dort. Auch erste technische Probleme werden dort bereits gelöst.

Seit langer Zeit: Mehr Platz für SPD-Fraktion

Es ist das erste Mal seit längerer Zeit, dass die SPD-Bundestagsfraktion wieder gewachsen ist: 206 Abgeordnete gehören ihr nun an. Das sind 54 mehr als noch 2017, als die Fraktion 152 Abgeordnete hatte. Viele haben den Einzug ins Parlament geschafft, die in der Bundespolitik jetzt Neuland betreten – was im besonderen Maße für die sächsische Landesgruppe gilt.

Rund 18 Quadratmeter groß müssen die Räume mindestens sein, die den Abgeordneten sowie ihren Mitarbeiter*innen zustehen. Nur gibt es diese Räume jetzt noch nicht, denn schon zuvor platzte der Bundestag aus allen Nähten. Während die Verhandlungen darüber, welche Fraktion welche Räumlichkeiten bekommt, noch laufen, werden die bisherigen Räume von den Abgeordneten und ihren Mitarbeiter*innen noch genutzt. Die Gespräche dürften in den kommenden Wochen abgeschlossen werden, heißt es aus der SPD-Fraktion.

Insgesamt dauert es aber womöglich noch länger, denn ein neues Verwaltungsgebäude des Bundestags wird erst in den kommenden Monaten bezugsfertig sein. Noch steht dort nur der Rohbau. Auch wenn der Bundestag nicht so stark gewachsen ist wie befürchtet, so ist er dennoch größer als jemals zuvor – 735 statt der eigentlich vorgesehen 598 Sitze. Und für jede*n neue*n, zusätztliche*n Abgeordnete*n braucht es eben auch Räume, die es bisher nicht gab.

Am Ende hängt die endgültige Verteilung auch noch davon ab, welche Fraktion künftig der Regierung angehören wird, welche Abgeordneten als Minister*innen und Staatssekretär*innen berufen werden. Bis sich alles zurecht geruckelt hat, könnte es also noch bis ins neue Jahr dauern.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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