Bundeskongress in Dresden: Jusos in der Höhle des Löwen
Christstollen, Semperoper, Pegida – eines dieser Wahrzeichen würden viele Einwohner Dresdens wohl am liebsten so schnell wie möglich wieder loswerden. Hat doch der Ruf ihrer Stadt in den vergangenen zwei Jahren durch Pegida ganz schön gelitten: Seit Oktober 2014 marschieren wöchentlich mehrere tausend Menschen durch die Innenstadt. Viele pöbeln, schimpfen und skandieren rechte Parolen. Ausgerechnet an diesem Ort wollen sich die Jusos am Wochenende nun zu ihrem jährlichen Bundeskongress treffen.
„Sachsen nicht aufgeben!“
Rund 300 Delegierte und 200 Gäste sind angemeldet. Gastgeber sind die Dresdner Jusos. Deren Vorsitzender Stefan Engel freut sich über die Entscheidung des Bundesverbands, die Tagung in der sächsischen Landeshauptstadt abzuhalten. Er verstehe dies als „große Wertschätzung“ für die Pegida-Gegner in seiner Heimat, erklärt er im Gespräch mit vorwärts.de. Die rechten Aufmärsche hätten mittlerweile zu einer extremen Verrohung des städtischen Klimas beigetragen. Umso wichtiger sei es, ein „Gegenbild zu transportieren“ – bevor weltoffen denkende Dresdner beginnen, an ihrer Heimatstadt zu verzweifeln. Sein Appell: „Sachsen nicht aufgeben!“
Johanna Uekermann, die Juso-Bundesvorsitzende, sieht das genauso. „Wir gehen nach Dresden, um ein Zeichen zu setzen“, sagt sie. „Ein Zeichen vor allem auch an die Menschen, die sich in Sachsen und andernorts unermüdlich engagieren im Kampf gegen Rechts.“ Gerade in Zeiten von AfD, Pegida und Co. gehe es ums Ganze, findet Uekermann: „Wir alle sind gefordert, uns jetzt einzusetzen für Demokratie und gleiche Rechte und Chancen für alle Menschen. Wenn wir rechte Scharfmacher und Populisten gewähren lassen, dann sind am Ende Frieden und Freiheit in Gefahr.“
Barley: Jusos „unheimlich wertvoll“
Als Gastrednerin beim Juso-Bundeskongress ist unter anderen SPD-Generalsekretärin Katarina Barley angekündigt. In Dresden will sie den jungen Genossen eine Botschaft mit auf den Weg geben: „Die Jusos sollen sich ihren Anspruch bewahren, in langen politischen Linien zu denken“, findet sie. „Das ist die beste Voraussetzung, um Visionen zu entwickeln, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Die Jusos sprechen dabei ihre eigene Sprache, setzen eigene Schwerpunkte und streiten engagiert für die Themen einer jungen Generation. Ihr Einsatz ist für die Sozialdemokratie unheimlich wertvoll.“
Für die Wahlkämpfe im kommenden Jahr wollen die Jusos voll auf das Thema Zusammenhalt setzen – vor allem mit Hinblick auf die Europäische Union. Michelle Rauschkolb von den Jusos Rheinland-Pfalz soll dafür am Samstag als Vize-Präsidentin der „Young European Socialists“ (YES) nominiert werden. Die Vorstandswahlen der europäischen Jungsozialisten sind für das kommende Jahr geplant. Nach dem Brexit dürfe es in der Europa-Politik kein „Weiter so“ geben, fordert Rauschkolb. Mit ihrer Kandidatur will sie „ein Zeichen setzen gegen den Nationalismus in Europa“. Die Entscheidung, dies ausgerechnet in Dresden zu tun, findet sie gut. „Wir wollen bewusst auch Raum einnehmen“ und angesichts des Rechtsrucks in Deutschland als Jusos „nicht nachgeben“.
#R2G: Jusos wollen Rot-Rot-Grün
Der dreitägige Jusos-Kongress am Wochenende steht unter dem Motto „Farbe bekennen“. Im Antragsbuch findet sich dazu ein bunter Strauß an Forderungen: Vom Kampf gegen Rechts über Friedens- und Asylpolitik bis hin zu Kapitalismuskritik, Datenschutz und Umweltthemen. Was die Bundestagswahl im kommenden Jahr betrifft, ist für den Juso-Bundesvorstand die Richtung bereits jetzt klar – im Leitantrag steht: „Die Perspektive 2017 heißt Rot-Rot-Grün!“
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ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.