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Aufwachsen in Deutschland: So will die SPD Kinder und Familien stärken

Eine Kindergrundsicherung, mehr Entlastung für Eltern in Beruf und Familie, ein elternubahängiges BAFöG und mehr Rechte für Kinder und Jugendliche – auf der zweiten Onlinekonferenz „Deine #guteIdee“ mit SPD-Vize Serpil Midyatli ging es um „Gutes Aufwachsen und starke Familien“.
von Vera Rosigkeit · 24. November 2020
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Was brauchen wir, damit Kinder und Jugendliche gut aufwachsen und Familien gestärkt werden können? Mehr als 40 Prozent der knapp 200 Teilnehmer*innen der digitalen Konferenz für das Regierungsprogramm der SPD geben am Montagabend auf eine kleine Umfrage die Antwort: eine Kindergrundsicherung. 27 Prozent sehen die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Voraussetzung und gute zehn Prozent sagen, dass es für Kinder und Jugendliche mehr Möglichkeiten der politischen Mitbestimmung geben sollte.

Milliarden für eine Kindergrundsicherung

Auf der zweiten von insgesamt sechs Konferenzen, die im SPD-Debatten-Camp am 12. Dezember gipfeln werden, diskutierten Genoss*innen mit SPD-Vize Serpil Midyatli und einem Team aus dem Berliner Willy-Brandt-Haus über „Gutes Aufwachsen und starke Familien“. Den Auftakt machte vergangenen Freitag eine Debatte über „nachhaltige Wirtschaft und gute Arbeit“ mit Partei-Vize und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.

Kinder aus der Armut holen, das soll mit einer Kindergrundsicherung ermöglicht werden. „Dass Kinder Hunger leiden, geht gar nicht“, sagt Midyatli. Gerade nach dem ersten Lockdown in der Corona-Pandemie sei es eine erschreckende Rückmeldung von Lehrer*innen und Pädagog*innen gewesen, dass Kinder zuhause nicht ausreichend Essen bekämen. Doch schon vor Corona wuchs jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut auf, erklärt Midyatli. Die Kindergrundsicherung, auf dem SPD-Parteitag im Dezember 2019 beschlossen, sieht deshalb neben einer Geldleistung Investitionen in die Infrastruktur für Kinder und Jugendliche vor. Sie soll einen grundlegenden Wechsel in der Familienförderung einleiten, denn „die Drumherum-Finanzierung habe keinen Erfolg im Kampf gegen Kinderarrnut gehabt“, ist Midyatli überzeugt und fügt hinzu: „Da müssen einige Milliarden rein. Dafür brauche ich eure Unterstützung.“

Ehegattensplitting muss weg

Doch auch das „Vereinbarkeitsthema“ treibt die Genoss*innen um. Alle Eltern lebten mit dieser Doppelbelastung, eine wirkliche Vereinbarkeit gebe es in diesem Sinne nicht, sagt eine Teilnehmerin. Die Frage an die SPD müsse sein, wie man Eltern und insbesondere Frauen entlastet. Als Mutter von zwei Söhnen ist Midyatli dieses Thema alles andere als fremd. Sie zitiert die Teilnehmerin einer anderen Veranstaltung, die dieses Dilemma so schilderte: „Wir sollen arbeiten, als hätten wir keine Kinder. Und wir sollen Mütter sein, als würden wir nicht arbeiten.“ 75 Prozent der geleisteten Care-Arbeit würde von Frauen geleistet, das ändere sich auch dann nicht, wenn Frauen ihre Arbeitszeit erhöhen, weiß Midyatli.

Auf der Suche nach einem guten Modell für die Zukunft sei sie auf das Konzept der ehemaligen Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig gestoßen. Danach sollte es 150 Euro pro Elternteil geben, wenn beide ihre Arbeitszeit reduzieren. Besonders hart treffe es Alleinerziehende, auch das wird von den Genoss*innen immer wieder angemerkt. Für sie sei es unmöglich, alles unter einen Hut zu bekommen. Hier wünscht sich Midyatli mehr Sensibilität. Auch auf Arbeitgeberseite, sagt sie. Und natürlich müsse weiterhin viel stärker in das Betreuungsangebot investiert werden. In diesem Zusammenhang fällt dann zwangsläufig auch die Frage nach der Abschaffung des Ehegattensplittings, das nicht nur das einseitige Rollenmodell innerhalb der Familie befördere, sondern eben auch so genannte „Regenbogen“- oder „Patchworkfamilien“ sowie Alleinerziehende benachteilige.

Es sei der SPD schon lange ein Dorn im Auge, „wir wollen es schon seit Ewigkeiten abschaffen“, betont Midyatli. Doch das Thema sei „nicht sexy“, weil die Menschen glauben, es würde ihnen etwas weggenommen. „Steuergerechtigkeit darf nicht davon abhängig sein, ob man verheiratet ist“, räumt sie ein. Die SPD stehe für eine progressive Familienbesteuerung, doch das sei mit der Union nicht zu machen.

Wählen mit 16 und elternunabhängiges BAFöG

Die Fragen und Ideen auf der Konferenz sind vielfältig, die Themen auch. Da ist die Sorge um die Zunahme von Gewalt an Kindern, die die SPD u.a. mit mehr Kinderschutzbeauftragten an Schulen und Kitas sowie niederschwelligen Angeboten für Familien begegnen will. Dass Familien nicht mehr der Hort der Glückseligkeit seien, merkt eine Genossin kritisch an. Und Gewaltanwendung sei auch kein psychisches Problem von Kindern, fügt sie hinzu. Vielmehr bräuchten Kinder ein Recht darauf, in einer Umgebung aufzuwachsen, wo sie liebevoll angenommen würden. Auch das sei ein großer Reibungspunkt mit der Union, Rechte für Kinder festzuschreiben, antwortet Midyatli.

Immer wieder zentral an diesem Abend sind auch die Themen Schule und Bildung. Wie die SPD die die frühe Selektion in den Schulen verhindern, die Bildungsgerechtigkeit verbessern will? Doch diese Fragen lassen sich auf Bundesebene nicht klären, das sei Länderangelegenheit, so Midyatli. Wofür die SPD allerdings eintrete sei Lernmittelfreiheit, eine kostenfreie Verpflegung sowie ein elternunabhängiges BAFöG. Für Kinder und Jugendliche wünscht sich Midyatli aber auch mehr Mitbestimmung. Über das Absenken des Wahlalters von bisher 18 auf 16 Jahre gebe es innerhalb der SPD bereits eine klare Einigung.

Die nächte Onlinekonferenz „Deine #guteIdee“ mit SPD-Chefin Saskia Esken zum Thema „Digitaler und gesellschaftlicher Fortschritt“ startet am Dienstag, 24. November um 19 Uhr.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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