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Auftakt für „Das Neue Jahrzehnt“

von Werner Loewe · 14. Februar 2009
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In Hamburg ist das Gebäude der Handelskammer zugleich Sitz der Börse. Passend für diese Handelsstadt schmiegt sich das Hamburger Rathaus mit seinen Seitenflügeln direkt an diesen Bau. Und das nicht nur symbolisch, es gibt auch im Obergeschoss einen direkten Durchgang zwischen Börse und Rathaus Der verleiht so der traditionell engen Verbindung zwischen der hanseatischen Kaufmannschaft und dem Senat auch baulichen Ausdruck.


Fast ein Heimspiel

Zwar sind die Hamburger Pfeffersäcke in den langen Jahrzehnten sozialdemokratischer Regierungszeit in der Stadt mit der SPD nicht schlecht gefahren, im Gegenteil - gewählt haben dürften sie die Partei wohl nur in Ausnahmefällen. So musste der Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier eigentlich eine Auswärtsbegegnung erwarten, als er zum Auftakt der Veranstaltungsreihe "Das Neue Jahrzehnt" an diesem Ort auftrat. Doch als der vorwärts-Chefredakteur Uwe-Karsten Heye als Moderator des Abends den Gast begrüßte, deutete der Riesenbeifall im bis auf den letzten Platz besetzten Börsensaal eher auf ein Heimspiel.


Jahr der Weichenstellung

So betonte Frank-Walter Steinmeier auch gleich zu Beginn seiner Rede, nicht nur Hamburg als Handelsstadt, sondern auch die Handelskammer hier schienen ihm in dieser Zeit der weltweiten Wirtschaftskrise der angemessene Ort für den Beginn der Reihe am Anfang des Jahres zu sein. In diesem Jahr entscheide sich, in welche Zukunft dieses Land gehen werde, mutig und voller Zuversicht, oder verzagt und rückwärts gewandt. Das sei kein Jahr für Mätzchen in der Politik und auch nicht von Schauspielern unter den Politikern. Die Sozialdemokratie habe oft genug "den Karren aus dem Dreck gezogen", sie "schlagen sich nicht in die Büsche, ich erst recht nicht".

Krise als Chance

Doch in der Krise stecken auch Chancen, und es gebe die Hoffnung, dass Deutschland besser durchkommen könne als andere Länder. Denn wir haben nicht auf die Ratschläge gehört, die eine Abwendung von der Industrie hin zu reinen Dienstleistungen empfahlen, sondern einen gesunden Mix unserer Volkswirtschaft erhalten. Und wenn für das wirtschaftliche System, dass jetzt zusammengebrochen sei, das Bild der ausgefahrenen Ellenbogen galt, so müsse es jetzt um ein System der ausgestreckten Hand gehen, um ein Land, in dem es gerecht zugeht, "dafür kämpft die SPD, dafür kämpft ihr Kanzlerkandidat".

Das Konjunkturprogramm

Eingehend erläuterte der Redner die Kernelemente des gerade beschlossenen Konjunkturprogramms. Auch wenn die Abwrackprämie für Autos - die im übrigen ein Erfolg sei - im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stünden, seien insbesondere die Maßnahmen zur Ankurbelung kommunaler Investitionen geeignet, Geld dort hin zu lenken, wo es dringend gebraucht wird und wo es direkt in den Wirtschaftskreislauf zurückfließt.

Und die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Verlängerung der Bezugszeit für das Kurzarbeitergeld und die Förderung von Fortbildungsmaßnahmen seien öffentlich weniger beachtet worden, aber von enormer Bedeutung für die von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer.

Demokratie braucht Demokraten

Er erinnerte an die Worte von Willy Brandt "Nichts kommt von selbst, und nur wenig ist von Dauer", auch Freiheit und Demokratie nicht. "Demokratie lebt von Demokraten", und so forderte er die Bürgerinnen und Bürger auf, sich nicht abzuwenden, sondern mitzumachen und schloss mit dem Appell: "Machen wir das neue Jahrzehnt zu unserem gemeinsamen Jahrzehnt."

"Substanz und Ernsthaftigkeit" hatte er anfangs von Politikern eingefordert und "den richtigen Kompass". Der stürmische, lang anhaltende Beifall bewies ihm, dass die Zuhörer ihm das zutrauten.

Der Mensch hinter dem Amt

Etwas schwieriger gestaltete sich im anschließenden Gespräch der Versuch seines alten Freundes, des vorwärts-Chefredakteurs Uwe-Karsten Heye, hinter dem souverän agierenden Außenminister und Vize-Kanzler den Menschen Frank Steinmeier sichtbar zu machen. Der schob die Zurückhaltung auf diesem Feld lächelnd zunächst ein wenig auf seine Herkunft aus dem Lippischen Land: "Die Lipper gelten gemeinhin als etwas stur". Doch dann wurde deutlich, wie sehr ihn diese Herkunft "aus einem der ärmsten Landstriche" geprägt hat.

Geschichte eines Arbeiterkindes

Seine Geschichte ist die Geschichte eines Arbeiterkindes, das in den Genuss der ersten Bildungsreform in diesem Land kommen kann. Noch weitgehend allein auf sich gestellt - "du musst wissen, was du tust", beschieden ihn mit zehn Jahren die Eltern, als er auf das Gymnasium wollte - war er damals das einzige Kind aus seinem Dorf, das diesen Weg einschlug. Diese Chancen, die ihm als Arbeiterkind damals eröffnet wurden, müsse die Gesellschaft heute auch den Migrantenkindern einräumen, und dafür kämpft er, wenn er sich etwa für Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Hochschule einsetzt.

Die Hälfte des Himmels und des Kabinetts

Zum Abschluss erinnerte der Moderator an neunzig Jahre Frauenwahlrecht, welches "wesentlich von der Sozialdemokratie durchgesetzt" wurde, und wollte vom Kanzlerkandidaten wissen "Wie viel Frauen wird das erste Kabinett von Bundeskanzler Steinmeier haben?" "Die Hälfte", war dessen trockene Antwort.



Autor*in
Werner Loewe

ist Mitarbeiter der vorwärts-Redaktion, Geschäftsführer a. D. des vorwärts-Verlags und ehemaliger Landesgeschäftsführer der SPD Hamburg.

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