Aufbruchstimmung nach Schulz-Vorstellung in der SPD-Bundestagsfraktion
Mit stehendem Applaus und einer großen Portion Zuversicht haben die Mitglieder der SPD-Fraktion im Bundestag den designierten Kanzlerkandidaten der SPD, Martin Schulz, empfangen. Bilder aus dem Fraktionssaal zeigen stehende Ovationen für den ehemaligen Präsidenten des EU-Parlaments. Dieser bedankte sich mit einer „grandiosen Rede“, so einzelne Abgeordnete.
Noch während der Rede von Schulz vor der Fraktion drangen die ersten Reaktionen nach außen. Über den Kurznachrichtendienst Twitter sprachen einzelne Genossen von „Aufbruchstimmung“. Andere bezeichneten die Rede als „genial und kämpferisch“. Die Abgeordnete Ulli Nissen meinte sogar: „Wir glauben jetzt alle an einen Wahlsieg“:
„Ein grandioser Auftritt“
Wenige Minuten nach dem Empfang erklärte die SPD-Bundestagsabgeordnete Michaela Engelmeier gegenüber vorwärts.de: „Es war ein grandioser Auftritt. Martin Schulz hat uns zutiefst ins sozialdemokratische Herz getroffen.“ Als Schwerpunkte nannte Schulz die Themen soziale Gerechtigkeit und die Bekämpfung des in Deutschland und Europa aufkeimenden Rechtspopulismus. Darüber hinaus habe sich Schulz bei der Fraktion für die in der großen Koalition errungenen Erfolge bedankt, so Engelmeier.
Der aus Sachsen-Anhalt stammende Burkhard Lischka ergänzte: „Sein Auftritt hat gezeigt, dass Martin Schulz der richtige Mann ist, um Demokratiefeinden und Demokratieverächtern Paroli zu bieten.“ In Bezug auf die als zweitstärkste Kraft in den Landtag von Sachsen-Anhalt eingezogene AfD sprach Lischka von einem „Hauch von Weimar“, der seitdem durch das Parlament in Magdeburg wehe. Ute Vogt, Bundestagsabgeordnete aus Stuttgart, erklärte: „Sein Auftritt war unglaublich nah am praktischen Leben. Martin Schulz weiß, was die Menschen bewegt.“ Positiv bewertete Vogt den während der Rede zum Ausdruck gekommenen „hohen Respekt vor der Arbeit in der parlamentarischen Demokratie“.
Mit seiner Rede begeisterte Schulz auch die Vertreter des konservativen Seeheimer Kreises: „Das war ein wirklich starker Auftritt, der alle mitgerissen hat. Martin Schulz ist einer, der die ganze Partei zu 100 Prozent motivieren kann“, erklärte Johannes Kahrs, Vorsitzender der Seeheimer. „Liebe, Herzblut und Schwung“ hätte Schulz mit seinem Auftritt in der Fraktion gebracht.
„Der Mehltau ist weg“
„Der Mehltau ist weg“, beschrieb ein anderer Abgeordneter nach der Sitzung die Stimmung in der Fraktion. Die Erleichterung über Sigmar Gabriels Entscheidung aber auch der Respekt vor dieser Entscheidung seien deutlich zu spüren gewesen. Der designierte Kanzlerkandidat und Parteivorsitzende Martin Schulz habe die Abgeordneten bei ihrer Ehre als Parlamentarier gepackt und deutlich gemacht, dass er als langjähriger Parlamentspräsident in Straßburg einer von ihnen sei. Auch habe er die Bedeutung des Parlamentarismus und die eines jeden einzelnen Abgeordneten für eine gut funktionierende Demokratie betont.
„Martin Schulz genießt vollen Rückhalt in der SPD-Bundestagsfraktion“, sagte ihr Vorsitzender Thomas Oppermann im Anschluss an die Sitzung. Unter den Abgeordneten herrsche das Gefühl, „jetzt können wir etwas bewegen und haben die Chance, Mehrheiten zu organisieren“. Schulz' Vorstellung vor den Parlamentariern sei „ein erfolgreichr Aufbruch ins Wahljahr“.
Schulz: „SPD ist Bollwerk der Demokratie“
Wie im ersten Statement nach seiner Nominierung durch das SPD-Präsidium am Montagabend betonte Martin Schulz auch nach der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion, dass er sich populistischen Strömungen entschlossen entgegenstellen wolle. „Die Fliehkräfte der Demokratie setzen die Kräfte der Demokratiefeinde frei“, sagte Schulz mit Verweis auf die Äußerungen Björn Höckes, der u.a. das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnet hatte. Die Verteidigung der Demokratie sei Aufgabe der Sozialdemokratie, so Schulz. „Die SPD ist das Bollwerk der Demokratie.“
Ziel für die Bundestagswahl sei, „in welcher Konstellation auch immer den Bundeskanzler zu stellen“. Die SPD habe „den Anspruch, das Land zu führen“. Im Wahlkampf sollten die „Alltagssorgen der Menschen“ und „der Respekt für jeden Einzelnen“ im Mittelpunkt stehen. Auf die Regierungsarbeit der großen Koalition soll das keinen Einfluss haben. „Wir werden den Koalitionsvertrag bis zum letzten Tag erfüllen“, kündigte Schulz an.
Gabriel überrascht mit Schulz-Kandidatur
Schulz war am Dienstag überraschend durch SPD-Chef Sigmar Gabriel als Spitzenkandidat der Partei für die Bundestagswahl im September in Stellung gebracht worden. Laut Gabriel soll Schulz darüber hinaus Vorsitzender der Partei werden. Gabriel selbst wird aller Vorausssicht nach Ende der Woche die Nachfolge Frank-Walter Steinmeiers im Amt des Außenministers antreten. Seit dem Bekanntwerden von Schulz' Kandidatur hat die SPD allein online 250 Neueintritte verzeichnet.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.