Die Jusos fahren in einem Bus quer durchs Land, um mit fantasievollen Aktionen zum Wählen zu animieren. Den Auftakt machte im Juni der Vorstand der Juso-Hochschulgruppen. Der vorwärts hat sie begleitet.

Das Abenteuer beginnt an einem kühlen Morgen im Juni. Vor dem Berliner Willy-Brandt-Haus steht ein halbes Dutzend junger Männer und Frauen, die mit Kaffee aus Plastikbechern die Kälte und die Müdigkeit vertreiben. Neben ihnen parkt ein bunt besprühter Bus. Das Gefährt ist fast schon ein Oldtimer, 27 Jahre hat es auf dem Buckel. Darauf prangt ein großer Schriftzug: „Zeit für Gerechtigkeit – Zeit für dich.“

Es ist das Wahlkampfmotto der Jusos. Sie wollen in diesem Bus quer durch Deutschland fahren, Tag für Tag, Woche für Woche, bis zur Bundestagswahl im September. An diesem Morgen geht es los. Zum Auftakt schaut Peer Steinbrück vorbei. Der SPD-Kanzlerkandidat trägt einen überdimensionalen Plastik-Autoschlüssel mit sich. Er überreicht ihn dem Busfahrer, Ralf Schiemann, einem 40-Jährigen mit blondem Kinnbart und SPD-Parteibuch.

„Die Chance der SPD besteht darin, dass sie mobilisiert“, sagt Steinbrück. Die Wahlbeteiligung von nur 70,8 Prozent bei der letzten Bundestagswahl sei ein Grund dafür, „dass wir auf die Bretter gegangen sind.“ Viele sozialdemokratisch gesinnte Bürger seien nicht zur Wahl gegangen.

40 Stationen in vier Wochen

Das wollen die Jusos diesmal mit ihrer Tour ändern, indem sie junge Menschen aus ganz Deutschland zum Wählen animieren. Im Bus mitfahren werden zunächst die Mitglieder des Bundesvorstands der Juso-Hochschulgruppen. In vier Wochen werden sie über 40 Universitäten und Fachhochschulen besuchen. Danach übernimmt der Juso-Bundesvorstand den Bus. Übernachtet wird nicht in Hotels, sondern auf der Couch oder in Gästebetten von Jusos vor Ort. „Das spart Kosten“, sagt Gitta Lauster, die die Tour der Hochschulgruppen organisiert. „Es macht aber auch mehr Spaß.“

Am Vormittag erreicht der Bus seine erste Station: den U-Bahnhof Dahlem, an dem viele Studenten der Freien Universität Berlin aussteigen, um zu ihren Seminaren und Vorlesungen zu eilen. Die Jusos bauen vor dem Fachwerk-Bahnhof ein kleines Wohnzimmer auf, bestehend aus Stühlen, einem Teppich und einer alten Stehlampe. „Wohnen unter freiem Himmel“, erklärt Lauster. Mit der Aktion wollen die jungen Sozialdemokraten gegen die explodierenden Mietpreise protestieren.

Die Jusos setzen im Wahlkampf auf Spaß – und verknüpfen ihn mit ernsten Themen. Der Bus ist vollgestopft mit Requisiten für fantasievolle Wahlkampfaktionen. Da ist die „Gleichstellungs-Torwand“ mit gleich hohen Löchern, die für einen gleichen Lohn für Frauen und Männer stehen. Oder ein Studium-Parcours mit zahlreichen Hindernissen („BAföG“, „Studentenjob“), den man unter Zeitdruck durchlaufen muss. Wer vor dem Start den Joker „reiche Eltern“ zugelost bekommt, kann eine Abkürzung nehmen. „Welche Themen wir ansprechen, entscheiden wir zusammen mit den Juso-Gruppen, die wir besuchen“, sagt Gitta Lauster.

In Kassel geht es um Geld

Zwei Wochen später hat der Bus bereits 2500 Kilometer zurückgelegt. Heute geht die Fahrt zunächst von Dortmund nach Kassel, am Nachmittag dann nach Münster. Vom Vorstand der Juso-Hochschulgruppen an Bord: Mareike Strauss, Katharina Kaluza und Jörg Meierotte. Gegen halb zehn erreicht der Bus die Kasseler Universität und parkt vor einem großen Glasbau. Dort warten bereits drei junge Männer von der lokalen Juso-Hochschulgruppe. „Welches Thema wollen wir heute machen?“, ruft Mareike Strauss. „Wohnen“, sagt einer der Jungs. „Das wird hier immer teurer.“ Auch mit der Studienfinanzierung hätten viele Studenten in Kassel Probleme.

Wenig später laufen die Jusos über den Campus und verteilen große Geldscheine aus Esspapier. „Hallo, wir haben ein bisschen Geld über“, ruft Strauss den vorbeilaufenden Studenten zu. „Dürfen wir dir was überreichen?“ Die meisten nehmen die Scheine lächelnd entgegen – zusammen mit einem Flyer, der für den Ausbau des BAföG wirbt.

„Es ist immer wieder ein tolles Erfolgserlebnis, wenn die Leute einem nett begegnen“, sagt Katharina Kaluza, als der Bus sich wieder in Bewegung setzt. Die Reaktionen seien überwiegend positiv. Während der Fahrt zücken die Jusos ihre Handys und Laptops, um die nächsten Stationen zu organisieren oder Fotos auf Facebook hochzuladen. Auch das gehört zum Wahlkampf. In einem Blog berichten sie täglich von ihren Aktionen.

Man trifft sich und vernetzt sich

Der Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen will mit der Tour aber nicht nur die Menschen auf der Straße und im Internet ansprechen, sondern auch die eigenen Ortsgruppen mobilisieren. „Es ist schön, wenn man die Jusos in den vielen Städten trifft, sich vernetzt und den Leuten auch etwas Motivation mitgibt“, sagt Mareike Strauss.

Dafür nehmen die Busreisenden gern Strapazen in Kauf. „Eine halbe Stunde, in der man mal für sich ist, hat man hier eigentlich nie“, sagt Jörg Meierotte. Geschlafen wird wenig. Fast jeden Tag müssen die Jusos vor sechs Uhr aufstehen, und abends ziehen sie oft noch mit den lokalen Hochschulgruppen um die Häuser. „Das gehört genauso dazu“, sagt Katharina Kaluza.

Zum Bustour-Blog der Jusos geht es hier.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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