„Auf ein Wort“: Was sich SPD-Mitglieder von ihrer Partei wünschen
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Das Leben von Lars Klingbeil gleicht in vielen Bereichen der Rhythmischen Sportgymnastik. Der SPD-Generalsekretär muss immer wieder den Spagat zwischen der Berliner Zentrale und der Parteibasis machen. Der Austausch zwischen Unten und Oben ist notwendig – und das wohl mehr als bislang. Daraus machen weder Klingbeil noch die Mitglieder in den Ortsvereinen und Unterbezirken einen Hehl – so auch kurz vor Weihnachten. Der Generalsekretär ist zu Gast beim Parteitag des Kreise Osterholz.
Der Weg der Erneuerung
Auf einem großen Plakat im Rot der Sozialdemokratie steht das Motto: „Auf ein Wort“. Christina Jantz-Hermann, Vorsitzende der Kreis-SPD und in der vergangenen Wahlperiode Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Verden-Osterholz, und Klingbeil stehen in der Mitte des Raums an einem Tisch. Einige Genossen sitzen hinter ihnen, der Großteil vorne. Dass sich der Generalsekretär während er redet immer mal muss, sei neu und ein wenig gewöhnungsbedürftig für ihn, gibt Klingbeil zu.
Immerhin: Nicht nur für ihn, sondern auch für die Osterholzer ist die Situation ungewohnt. „Wir probieren ein neues Format aus“, sagt Jantz-Hermann. Dies geschieht nicht nur aus Gründen der Kommunikation. Die Kreisvereins-Chefin hebt den symbolischen Wert für die Partei hervor: „Wir wollen diesen Weg gehen, den Weg der Erneuerung.“ Die knapp 50 Anwesenden sind sich zudem einig: Die Sozialdemokratie wolle streiten und gemeinsam nach vorne gehen.
Die SPD hat versäumt, auf die Menschen zu hören
Doch das ist nur die eine sprichwörtliche Seite der Medaille. Immer wieder lassen die Mitglieder vor Ort durchblicken, dass es schwierig sei, die Politik der Sozialdemokraten vor Ort zu vermitteln. Wie es funktionieren kann, macht Heiner Peper, Vorsitzender des Ortsvereins Grasberg klar: Er begrüßt Vertreter der Bürgerinitiative „NoMoorGas“. Die Menschen wehren sich rund um Bremen gegen Pläne der Deutschen Erdöl AG (DEA), nach Gasvorkommen in der Region zu suchen. Peper hebt hervor, dass es Unterstützung der SPD vor Ort gibt. Seinen Schluss gibt er Klingbeil mit auf den Weg: „Leider hat die SPD in den vergangenen Jahren versäumt, auf die Bürger zu hören.“ Wenn es die Partei versäume, sich für die Menschen einzusetzen, „dann können wir hier den Laden bald zumachen“, fügt Peper an. Ähnlich äußert sich der Osterholzer Juso-Vorsitzende Malte Wintjen mit Blick auf Berlin am Ende seines Beitrages: „Bitte fangt endlich an so zu regieren, dass wir die SPD auch wieder vor Ort vertreten können.“
Es sind nur zwei von zahlreichen Themen, die die Mitglieder vor Ort umtreiben. Ihnen geht es um den Sozialstaat der Zukunft und um Hartz IV, um die Zukunft der Bildung angesichts fortschreitender Digitalisierung und den Digitalpakt, um die Zukunft der Pflege und um bezahlbaren Wohnraum für alle und natürlich um den Kohleausstieg. Und es geht um das Verhältnis der Parteimitglieder untereinander. „Wir dürfen uns nicht immer gegenseitig vors Schienbein treten“, appelliert Arne Börnsen aus Schwanewede an seine Genossen.
Wieder eine klare Sprache sprechen
Gesa Wetegrove aus Worpswede gibt Klingbeil mit auf den Weg, dass endlich im Bereich Pflege etwas getan werden müsse. Sie fordert die Schulgeldbefreiung für die Auszubildenden, mehr Ausbildungsplätze und einen für das gesamte Bundesgebiet geltenden Tarifvertrag. Vor allem aber müsse die Politik dafür sorgen, dass es den Renditen der Pflegekonzernen an den Kragen gehe. Klingbeil stimmt ihr zu: Das alles gehöre zur Reform des Sozialstaates – eines der großen Themen der Sozialdemokratie.
Dort hinein passt auch die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum. Den fordert Sabine Faber aus Lilienthal. Claudia Ostendorf, ebenfalls aus Lilienthal, mahnt den „radikalen Umbau des Bildungssystems“ an. Hintergrund: Digitalisierung bedeute nicht nur Kurvendiskussion auf dem Tablet. Vielmehr müssten sich Lehr- und Lerninhalte ändern. Klingbeil macht Mut: „Der Digitalpakt wird kommen.“
Überhaupt wird sich etwas tun, ist sich der Generalsekretär sicher. Er verweist auf die Klausurtagung des Parteivorstands am 14. Dezember. Klingbeil sagt: „Es ist jetzt ein Jahr ins Land gegangen, wo wir zugehört haben. Jetzt muss entschieden, orientiert und geführt werden.“ Doch stehenbleiben dürfe die Partei nicht auf diesem Weg. Denn: Bis auf die Zeit des Europawahlkampfs sollen die Debattencamps und Gespräche mit der Basis im kommenden Jahr weitergehen. Dafür geben die Genossen Klingbeil vor allem eins mit auf den Weg: Die SPD müsse wieder eine klare Sprache sprechen.