Parteileben

Anpacken statt reden – warum die SPD wieder Kümmerer braucht

Es wird viel diskutiert über die Erneuerung der SPD. Unser Gastautor Martin Mertens kann die vielen klugen Sprüche nicht mehr hören. Für ihn gibt etwas, was die SPD von allen anderen Parteien unterscheidet.
von Martin Mertens · 16. November 2017

„Die SPD muss sich nun erneuern“ - „Die SPD muss jünger und weiblicher werden“- „Die SPD muss die Partei der guten Arbeit bleiben“ - „Die SPD muss wieder linke Volkspartei sein“ - „Die SPD braucht wieder mehr Diskussionskultur“. Ich kann die vielen klugen Sprüche nicht mehr hören.

Taten statt Worte

Spätestens seit dem miserablen Wahlergebnis zur Bundestagswahl 2009 kommen von überall her gute Ratschläge zur Neuausrichtung der Partei – und nicht zuletzt von denen, die kurz zuvor noch auf dem Parteitag frenetisch Beifall geklatscht haben. Wieder einmal beschäftigt die SPD mit sich selbst, anstatt endlich umfassend die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger anzugehen.

Als Wissenschaftler weiß ich, dass eine fundierte Analyse Grundlage jeder erfolgreichen Handlungsempfehlung ist. Aber als aktiver – und, bislang relativ erfolgreicher – Kommunalpolitiker ist mir genauso klar, dass die Menschen von uns Taten und keine langen Worte sehen wollen.

In meiner Gemeinde haben wir dort die größten Erfolge, wo Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sich einsetzen. Wo sie sich um die Parkbank, den Mülleimer oder den Kindergartenplatz kümmern – genau so, wie um die Entwicklung des neuen Baugebietes oder der Umgehungsstraße.

SPD als Partei der Kümmerer

Bei den Auftritten von Martin Schulz war dieser als unser Kanzlerkandidat immer dann am überzeugendsten, wenn er an seine frühere Rolle als Bürgermeister erinnert und erklärt hat, wie und warum er die Sorgen der Menschen ernstgenommen hat. Die Sozialdemokraten als die Partei der Kümmerer – das führt zu Erfolgen. Und das führt dazu, dass wir unser Land, ja unsere Welt auch sozialdemokratischer gestalten können.

Was bringen uns umfangreiche Diskussionen über eine Partei, die jünger und weiblicher werden soll, wenn eben diese jungen und weiblichen Charaktere nicht da sind – oder dann, wenn sie da sind, nicht das tun, was den Bürgerinnen und Bürgern hilft? Umgekehrt: Wenn sich Sozialdemokraten um die Sorgen der Menschen kümmern, dann dürfen sie auch gerne über 60, leicht untersetzt und männlich sein. Hauptsache, sie kümmern sich um ihr Dorf oder ihre Stadt.

„Wir müssen anpacken“

Es muss uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wieder deutlich werden, den Menschen zuzuhören, anstatt nur im Elfenbeinturm über Themen zu diskutieren, die die Menschen nicht interessieren. Oder noch schlimmer: Themen den Menschen nicht zu erklären. Wir schaffen es in weiten Teilen nicht mehr, den Menschen zu erklären, warum bestimmte Dinge umzusetzen sind und andere nicht. Wir bemühen uns nicht einmal mehr, es ihnen zu erläutern.

Und vielleicht erklärt das auch – zumindest teilweise – den Erfolg der AfD: Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Für mich ist diese ohne wenn und aber eine rechtsradikale Partei. Aber ganz offensichtlich haben einige Menschen das Gefühl, die AfD höre ihnen zu. Das entschuldigt nicht die Wahlentscheidung, erklärt aber, warum auch frühere SPD-Wähler nun ihr Kreuz ganz rechts gemacht haben.

Ja, wir brauchen mehr junge Menschen in der SPD, wir brauchen mehr Frauen. Vielleicht brauchen wir auch mehr Migratinnen und Migranten und genau so auch mehr Homosexuelle. Aber was wir vor allem brauchen sind Mitglieder, die sich um die Sorgen der Menschen kümmern. Unabhängig von Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung oder Herkunft.

Wir müssen vor allem die Volkspartei sein und für die Ärzteschaft wie das Pflegepersonal, den Architekten wie den Fliesenleger und die Sekretärin wie die Rechtsanwältin da sein. Und wir müssen anpacken. Denn das können wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – und das unterscheidet uns am meisten von allen anderen Parteien: Wir packen an. Wir brauchen Kümmerer. Glück auf!

Autor*in
Martin Mertens

ist hauptberuflicher Bürgermeister der Gemeinde Rommerskirchen (Nordrhein-Westfalen) und ehrenamtlich Lehrbeauftragter an der Universität Bonn. Er ist seit 2001 Mitglied der SPD.

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