OV-Porträt In Lübeck-Kücknitz schufen Sozialdemokraten einen Park von Bürgern für Bürger. So bringen sie neues Leben in ihren Stadtteil.
Erst machte die Metallhütte dicht, dann die Werft. Tausende Arbeitsplätze fielen weg. Lübecks Stadtteil Herrenwyk war bis in die 90ger Jahre hinein ein Ruhrgebiet en miniature an der Ostsee, mit Arbeitersiedlungen, öffentlichem Badehaus für Hüttenarbeiter und Villen für Führungskräfte. Namen wie Hochofen- oder Kokerstraße zeugen heute noch von dieser Geschichte. „Das zeigt, dass Lübeck weit mehr ist als Hanse und Bürgertum“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Rother.
„Früher ging in Herrenwyk ohne die SPD nichts“, sagt Paul-Helmut Ollrogge vom Vorstand des SPD-OV Lübeck-Kücknitz. Doch wenn die wirtschaftliche Grundlage entfällt, wenn aus stolzen Facharbeitern Arbeitslose werden, verlieren auch Traditionen ihre Basis: Die Bindung an die Gewerkschaften, das rege Vereins- und Parteileben schwinden. Wer umschulte und neue Arbeit fand, zog fort aus Herrenwyk. Die SPD-Mitgliederzahlen schrumpften.
Doch der OV gab nicht auf. Zusammen mit dem damaligen SPD-Ortsvorsitzenden und Landschaftsplaner Andreas Morgenroth gehörte Ollrogge 2006 zu den Initiatoren des Bürgerparks. Die Idee der Genossen: Aus einem knapp 3,5 Hektar großen und völlig verwilderten Gelände mitten im Stadtteil sollte ein Park „von Bürgern für Bürger“ werden. Als erstes organisierte der OV eine große Müllsammelaktion mit den Anwohnern. „Wir kümmern uns, wir machen was, das Signal kam an“, so Morgenroth. Kubikmeterweise sammelten die Genossen Flaschen, Plastik, Papier, Bauschutt und Gartenabfälle. Den Abtransport übernahm die Stadt Lübeck, der das Gelände gehört. Danach feierte der Stadtteil die Aktion mit einem gemeinsamen Osterfeuer in dem zukünftigen Park. Morgenroth: „Das alles hat das Wir-Gefühl enorm gestärkt.“
Das Müllsammeln war nur der Anfang, denn ein Dschungel aus morschen Bäumen, wuchernden Büschen und Brombeerranken ist noch lange kein Park. Hier trat das Berufsfortbildungswerk (BfW) des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Aktion. Es befindet sich auf dem ehemaligen Hochofengelände, half beim Anlegen des Parks und leistet heute weitgehend seine Pflege.
Die Arbeit hat sich gelohnt
Wege anlegen und sauber halten, Büsche und Bäume pflanzen, Unterholz ausdünnen, abgestorbene Äste wegräumen, die Wiese des Grillplatzes mähen, Bänke und Papierkörbe aufstellen, mit solchen stadtteilbezogenen Arbeitsgelegenheiten im Garten- und Landschaftsbau führt das BfW Langzeitarbeitslose wieder an den Arbeitsmarkt heran. Die Kosten für das Material, z.B. die Neuanpflanzung, spenden umliegende Unternehmen.
Die Arbeit hat sich gelohnt. „Von Hundebesitzern, Spaziergängern und Joggern wird er gut angenommen“, sagt Andreas Morgenroth. Auf der Freifläche wird im Sommer gegrillt und Fußball gespielt. Müll wird auf dem Gelände auch nicht mehr entsorgt. Konkurrenz zu Gartenbaubetrieben bedeutet die Bürgerpark-Initiative nicht. „Die Stadt ist froh. Grünpflege kostet Geld und die Stadt hat kein Geld“, so der Landtagsabgeordnete Thomas Rother.
Der ehemalige Ortsvorsitzende Andreas Morgenroth sieht in dem Projekt Wegweisendes für Stadtteile, die auf der Kippe stehen: „Vielleicht ist es auch andernorts möglich, dafür zu sorgen, dass die Bewohner sich wohler fühlen. Mit Engagement und den passenden Ideen kann man fast zum Nulltarif viel bewirken.“