Parteileben

Alternativen zur Alternativlosigkeit

von ohne Autor · 30. Juni 2011
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"Demokratie lebt davon, dass das Wort 'alternativlos' in ihr nicht vorkommt." Der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler übte heftige Kritik an der amtierenden Bundesregierung und ermunterte die SPD, im Rahmen ihrer Parteireform wieder verstärkt auf "Vorfeldorganisationen" zu setzen.

Wie kann man heutzutage jüngere Menschen bewegen, politisch zu arbeiten? Sigmar Gabriel ist davon überzeugt, die SPD müsse ihnen mehr anbieten als die Mitarbeit im Ortsverein. "Wenn wir uns nicht bewegen, verlieren wir." Der SPD-Vorsitzende möchte auch Nicht-Mitgliedern die Möglichkeit geben mitzudiskutieren und mit zu entscheiden - wie das bei den Jusos seit langem üblich ist. Und er setzt auf mehr direkte Demokratie. So sollten die Bürger Europas über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer abstimmen.

Langer Atem statt schnelle Entscheidungen

Münkler zeigte sich skeptisch: "Das ist schick, aber ich glaube nicht, dass es das Problem löst." Gemeint war das Problem der Politik- und Parteienverdrossenheit, oder, wie Gabriel es genannt hatte, einer wachsenden Ohnmachtserfahrung, die zu politischer Apathie und letztlich zu einer Entdemokratisierung der Gesellschaft führe.

Bei Volksbefragungen gehe es immer um Entweder-Oder-Entscheidungen, argumentierte Münkler, also um Sieg oder Niederlage. Das sei eine Anpassung an mediale Erwartungen. Aber die Fähigkeit, "Politik zu machen", gehe dabei verloren: "Politische Aushandlungsprozesse werden nicht gelernt." Wer sich nur punktuell engagiere, begreife nicht, dass man, um Politik zu betreiben, einen "langen Atem" haben und Kompromisse schließen muss.

Beides lerne man besser in Vorfeldorganisationen und Jugendverbänden, so Münkler. Dort übe man den Kampf um Mehrheiten. Das finde er "sympathischer" als die Idee der Öffnung der Partei für Nicht-Mitglieder - gegen die er aber "auch nichts habe".

"Schwerter zum Flughafen"

Gabriel hält eine solche Öffnung für unverzichtbar, wenn die SPD als Volkspartei überleben will. Sonst fehlten ihr aufgrund ihrer Altersstruktur bald Menschen, die mitten im Berufsleben oder in der Ausbildung stecken. Das Grundthema der SPD sei aber die Idee, so Gabriel, "dass das Leben offen sein muss". Dass alle Menschen "aus ihrem Leben etwas machen können". Wenn eine Partei nur noch aus Rentnern bestehe, könne sie diese Idee kaum noch glaubhaft verkörpern. Das Durchschnittsalter der SPD-Mitglieder liegt knapp unter 60 Jahren.

Ihm gehe es darum, aus Nicht-Mitgliedern Interessierte zu machen und dann aus Interessierten Mitglieder, sagte Gabriel. Er selbst sei übrigens in die SPD eingetreten, weil er gegen die Atomkraft gewesen sei - "Die Partei war mehrheitlich dafür" - ,weil er gegen Berufsverbote eingetreten sei - "Die Partei war mehrheitlich dafür" - und weil er gegen die Nato-Nachrüstung war - "Die Partei war mehrheitlich dafür". Gabriel bekannte: "Ich habe Plakate geklebt: 'Schwerter zum Flughafen'".

Auch die Unterstützung des bewaffneten Kampfes in Mittelamerika, die Gabriel unterstützte, entsprach nicht der Parteilinie. Trotz alledem sei die SPD der richtige Ort für ihn gewesen. Er habe dort sagen können, was er wollte. Ihm wurde zugehört. Und am Ende wurde er sogar gewählt. Nun muss dieses Beispiel nur noch viele aktuelle Nachahmer finden.

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