Als Willy Deng Xiaoping die Hand schüttelte
Ausgesprochen höflich tritt Willy Brandt im Mai 1984 bei seinem ersten Besuch in Peking auf: „Ich bitte um Verständnis, wenn ich, in Mitteleuropa geboren und im europäischen Denken und Leben zu Hause, dazu neige, die Dinge aus meinem Teil der Welt zu betrachten (...) Ich bin nach China gekommen, um mehr darüber zu erfahren, wie die Weltprobleme hier gesehen werden. Mir ist von Anfang an bewusst, dass sich Ihnen manche Fragen anders stellen als uns.“
Diese Rede war der Beginn und die Basis des Parteiendialogs von SPD und der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Es gibt ihn seit nun 30 Jahren auf den verschiedensten Ebenen. Wichtige Themen dabei sind die Außen- und Sicherheitspolitik, der Nachhaltigkeitsdialog, der Austausch von jungen Politikern und Politikerinnen und der Menschenrechtsdialog. Zum diesjährigen Jubiläum gab es neben den Feierlichkeiten und politischen Gesprächen auch eine Reihe von Kontakten mit Vertretern der Zivilgesellschaft, Gewerkschaftern und Studenten.
Willy Brandt wollte ganz im Sinne seiner Politik „Wandel durch Annäherung“ das damals noch als Entwicklungsland eingestufte China an die Weltgemeinschaft heranführen. Mit Unterstützung der in China schon aktiven Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und der Internationalen Abteilung der SPD-Parteizentrale wurde der Kontakt zur KPCh aufgebaut. Im Mai 1984 kam es dann in Peking zu der entscheidenden Begegnung zwischen dem SPD-Vorsitzenden und dem starken Mann Chinas, Deng Xiaoping.
Brandt, auch Vorsitzender der Sozialistischen Internationalen (SI) und der Nord-Süd Kommission, trug damit zur weiteren Öffnungs- und Reformbereitschaft der KPCh und damit des gesamten Landes auch in Richtung Europa bei. Heute ist China einer der wichtigsten Außenhandelspartner sowohl für Deutschland als auch für die EU.
»Ave Maria« mitten in Peking
Und so ist es schon ein rührender Moment als Thorsten Schäfer-Gümbel im Rahmen der Feierlichkeiten ein eigens geschaffenes Ölgemälde, das diese erste Begegnung von Brandt und Deng Xiaoping darstellt, an das hochrangige Mitglied des Politbüros der KPCh, Zhao Leji überreicht. Es zeigt die beiden Hände schüttelnd. Zwischen ihnen ist der damals junge Dolmetscher Li Jinjun zu sehen, heute Vizeminister der Internationalen Abteilung der KPCh. Er erinnert sich gerne an die Geburtsstunde des Parteiendialogs: Brandt habe „mit großem politischem Mut und über alle ideologischen Grenzen hinweg“ die Beziehung aufgebaut – in einer Zeit, „in der China sich erst zu öffnen begann“. Zhao betont während der Feierstunden, dass die „heutige Intensität der Beziehung damals unvorstellbar“ war. Die Vorsitzende des SPD-Gesprächskreises Menschenrechte, Herta Däubler-Gmelin, bestätigt das. Sie spricht in ihrer Rede beim Festbankett einzelne Vertreter der chinesischen Seite direkt an – „Persönlichkeiten, die über die Jahre zu echten Freunden geworden sind“.
Das chinesische Streichquartett, das anschließend aufspielt, macht die Annäherung auf seine Weise deutlich: Die Darbietung endet mit einem wunderbar interpretierten „Ave Maria“ – in Peking, bei einem Fest der KPCh.
Schäfer-Gümbel, der sich seit geraumer Zeit um die Kontakte nach Asien kümmert, wird als Dank für seine Verdienste eine Gastprofessur der Pekinger Fremdsprachenuniversität, eine der führenden Hochschulen Chinas, verliehen. In seiner Antrittsrede unterstreicht er, wie wichtig es sei, eine „umfassende Partnerschaft“ aufzubauen, um das gegenseitige Verständnis weiterzuentwickeln: „Aus Verständigung wird Verständnis.“ In diesem Sinne wird Schäfer-Gümbel immer wieder Vorlesungen in China halten und – wie auch bei diesem Besuch – mit Studenten politische Fragen diskutieren.
Stärkung der Zivilgesellschaft
Hertha Däubler-Gmelin trifft sich regelmäßig mit Vertretern der Zivilgesellschaft und lehrt Europa- und Völkerrecht an chinesischen Universitäten. „Mit unserer Arbeit stärken wir die Zivilgesellschaft und deren Stellung in der chinesischen Gesellschaft insgesamt“, betont sie. Auch wenn erkennbare Erfolge sich nicht schnell einstellen, herrscht bei den Sozialdemokraten die Überzeugung, dass nur der Austausch auch in diesen Fragen Fortschritt bringt. Gespräche mit Vertretern der Zivilgesellschaft bestätigen das – auch in Zeiten wie diesen, in denen die Menschen-rechte durch die aktuelle chinesische Führung eher wieder zurückgedrängt als ausgebaut werden.
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi nimmt während des Besuchs auch eine Reihe wirtschaftspolitischer Termine wahr. So führt sie im Volkswagenwerk in Shanghai Gespräche mit der Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertretern. Später trifft sie Vertreter der Auslandshandelskammer, die im Auftrag der Bundesregierung die Interessen der deutschen Wirtschaft in China und Taiwan vertritt. Einen Wunsch der sehr an Deutschland orientierten und auch von Willy Brandt 1984 besuchten Tongji Universität will Fahimi gerne unterstützen: einen festen Austausch mit Vertretern der kommunalen Ebenen zu schaffen. „Darum kümmere ich mich!“, verspricht sie.
Das Fazit der Reise ist klar: Es wurde in den vergangenen 30 Jahren viel erreicht, aber es gibt auch noch sehr viel zu tun. „Nach der Reform ist vor der Reform“, so Thorsten Schäfer-Gümbel.
ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.