Abschluss des Campaign Camps: Die SPD als Brandmauer gegen Rechts
+++ Abschluss des Campaign Camps: Für eine stabile Brandmauer gegen Rechts +++
Zum Abschluss des Campaign Camps geht es um den unmittelbar anstehenden Wahlkampf in Sachsen-Anhalt, wo am Sonntag ein neuer Landtag gewählt wird. Die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende und Direktkandidatin im Wahlkreis Haldensleben, Katharina Zacharias, ist per Video zugeschaltet. Sie macht deutlich: „Es ist ein riesiger Wahlkreis. Deswegen haben wir alles gegeben, um möglichst alle Menschen zu erreichen.“ Noch am Abend will sie ein weiteres Mal losziehen, 2.000 Türanhänger verteilen und so für ihre Kandidatur werben.
Doch es geht nicht nur um sie, macht die SPD-Kandidatin deutlich: „Wer eine stabile Brandmauer gegen Rechts will, muss SPD wählen. Hier findet morgen Geschichte statt“, sagt sie. Auch Saskia Esken, die zuletzt für mehrere Termine in Sachsen-Anhalt unterwegs war, sagt: „Wer sicherstellen will, dass die AfD nicht in der Regierung vertreten ist, muss SPD wählen.“ Mit Blick auf das Campaign Camp ihrer Partei sagt die Vorsitzende: „Wir haben heute gesehen, wir sind eine geile Truppe. Wir können die Leute begeistern, weil wir begeistert sind. Die Sozialdemokratie ist immer noch die älteste Partei und die größte Bewegung.“
+++ SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken macht sich für Respekt in der Gesellschaft stark+++
„Die wichtigste Grundlage, um eine Gesellschaft zusammenzuhalten, das ist der Respekt“. Damit startet Esken ihren Beitrag zum Campaign Camp 2021. Um Respekt in praktische Politik zu übersetzen, sei die Lebensleistung jedes Einzelnen zu würdigen, dies ginge von der Pfelegekaft bis hin zur Maschinenbauingenieurin. Das bedeute für die SPD, sich für starke Tarife, bessere Arbeitsbedingungen und einen Mindestlohn von mindestens 12 Euro einzusetzen. Jeder fünfte würde davon profitieren, im Osten sei es jeder zweite. Doch es bedürfe auch einer moderne Infrastruktur. Umso wichtiger sei Scholz Anliegen, pro Jahr 400 000 neue Wohnungen zu realisieren, 100 000 davon Sozialwohnungen.
Stabile Familien würde man durch eine Kindergrundsicherheit, eine Art des Grundeinkommens, und den Ausbau der Ganztagsschulen schaffen und zur Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Dazu gehöre auch die Realisierung von Frauen in Führungspositionen, dieser bedürfe eine aktive Gleichstellungspolitik zwischen Männern und Frauen.
Langzeit-Arbeitslosen hingegen wolle man zwar fordernd, aber solidarisch und auf Augenhöre begegnen. Dies bedeute auch, Hartz IV zu überwinden.
Im Hinblick auf die Frage, was die SPD zu einer Partei zu einer Partei für junge Leute mache, meint Esken unter anderem: „Gerade in dieser Bundestagswahl haben wir 109 Kandierende unter 40 in unseren Listen“.
Zum Kampf gegen Rechts kritisiert die SPD-Vorsitzende scharf, dass die Union das Demokratiefördergesetz immer wieder blocken würde. Dieses sei essentiell etwa im Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus.
+++ SPD-Chef legt Fokus auf europäische Solidarität +++
Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans stellt heraus, wie wichtig europäische Solidarität auch mit Blick auf zentrale wirtschaftliche Kenndaten sei. Denn der Anteil Europas an der Weltwirtschaft sei inzwischen auf gerade einmal 15 Prozent gesunken. „Wenn wir uns nicht bewusst machen, wie wichtig der Zusammenhalt in Europa ist, werden wir nur noch ein Blättchen sein, das auf dem Ozean schwimmt und keine Bedeutung mehr hat“, mahnt der SPD-Vorsitzende.
Walter-Borjans betont außerdem die besondere Bedeutung von Europa als Friedensprojekt. Der 68-Jährige sagt, er gehöre der ersten Generation an, die keinen Krieg in Europa aktiv miterlebt habe. „Ich möchte gerne, dass wir daraus ein Projekt für die ganze Welt machen“, sagt der SPD-Vorsitzende und verweist auf die großen sozialdemokratischen Erfolge in der europäischen Friedenspolitik, von der Ostpolitik Willy Brandts über Martin Schulz' Rolle als früherer Vorsitzender des Europaparlamentes bis hin zu Jens Geier, Katarina Barley oder Udo Bullmann, die als SPD-Europaabgeordnete „enorm wichtige Stimmen für das gemeinsame Europa“ seien.
Doch Walter-Borjans mahnt auch, dass Europa nicht nur ein Friedensprojekt sein dürfe, sondern auch immer ein Projekt mit Offenheit für Schutzsuchende.
+++ SPD-Vize Klara Geywitz erklärt, warum die SPD die Partei der Frauen ist +++
Um die Rolle der SPD im Kampf um die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern hervorzuheben, weist die stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Klara Geywitz auf Misstände hin, die die Partei beheben will. Ein großes Problem sei, dass Forschung an Medikamenten oft nur mit männlichen Proband*innen durchgeführt werde, obwohl Frauen oft andere Nebenwirkungen bei Medikamenten zu beklagen hätten. Zudem müssten die Paragraphen 218 und 219 endlich aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden.
Weiterhin müssten gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt für Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt erreicht werden. Dies wolle die SPD in Bezug auf die Kinderbetreuung durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch ein kostenloses Ganztagsangebot bis zum Ende der Grundschulzeit umsetzen.
Zudem sei es für Männer wichtig, zwei Wochen nach der Geburt ihrer Partnerin freizubekommen, um zu unterstützen und die Rolle von Vätern hervorzuheben und diese in die Familie zu integrieren. Um auch Geburten so sicher wie möglich zu gestalten, müsste weiter in die Berufssituation von Hebammen investiert werden: „Es muss einen Bereich in der Gesundheitsversorgung geben, der als Grundversorgung der Gesellschaft so viel wert ist, dass er nicht den Regeln des Kapitalismus unterliegt".
Wenn es parallel zur Kindererziehung zusätzlich darum ginge, die älter werdenen Eltern zu pflegen, sei ein Anspruch auf eine Pflegearbeitszeit unabdingbar. Diese sieht eine Reduktion der Arbeitszeit für Menschen, die ihre Eltern pflegen, vor. Für Familien, in denen die Älteren ins Seniorenheim ziehen müssten, habe die SPD bereits viel erreicht, indem sie die Eigenbeteiligung für Kinder, deren Eltern im Seniorenheim leben, ausgesetzt habe.
Auf eine Frage aus dem Publikum zur Genderdebatte meint Geywitz: „Das ist eine Ablenkungstaktik der Konservativen." Ökomische Fragen der Gleichberechtigung würden zunächst bei der SPD im Vordergrund stehen. Jedoch lädt sie die Zuschauer*innen dazu ein, sich einmal vorzustellen, was passieren würde, wenn fortan nur von Ärztinnen, Politikerinnen und Moderatorinnen die Rede sei: „Da würden Männer sich doch sicher irgendwann auch melden und sagen, dass sie gerne mit erwähnt werden würden.“
+++ Kevin Kühnert will „Grund und Boden der Spekulation entziehen" +++
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Kevin Kühnert betont die Dringlichkeit, sich als SPD für bezahlbares Wohnen einsetzt. Dies sei tief in der Geschichte der Partei verwurzelt und mit Blick auf Berlin, München und Frankfurt, wo kaum noch bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung stehe, bitter nötig. Man könne davon ausgehen, dass sich die Lage in diesen Städten auf andere Gebiete ausweiten würde: „Früher oder später kommt das auch in den Stadtrandgebieten, in den Mittelstädten, in den Universitätsstädten an.“
Um die Wohnsituation in Deutschland zu entspannen, fordert die SPD kommunale Bodenfonds, die es Städten und Gemeinden ermöglichen, die über keinerlei Grund und Boden mehr verfügen, diesen wieder erwerben zu können. Im Gegensatz zur SPD wolle die Union das Bauen privaten Träger*innen überlassen. Dies würde zu unbezahlbaren Wohnungsmieten führen.
+++ SPD-Vize Serpil Midyatli wirbt für familienfreundliches Deutschland +++
An einem virtuellen Infostand ist am Nachmittag die stellvertretende SPD-Vorsitzende Serpil Midyatli zu Gast. Sie ist aus der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel zugeschaltet und erklärt, wie Deutschland zum kinderfreundlichsten Land in Europa werden kann. „Kinder zu haben ist in Deutschland das größte Armutsrisiko. Das wollen wir ändern. Wir wollen die Kinderarmut endlich beenden“, sagt sie. Die SPD habe in den vergangenen Jahren bereits an vielen Schrauben gedreht, um die Situation von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. „Aber wir haben gemerkt, dass wir damit nicht weiter kommen.“
Deswegen fordert die SPD eine Kindergrundsicherung mit einem einkommensunabhängigen Basisbetrag für jedes Kind. Abhängig vom Einkommen der Eltern soll dieser Betrag anschließend noch weiter steigen. Zusätzlich fordert Midyatli, auch die notwendige Infrastruktur für Kinder und Jugendliche bereit zu stellen. Dazu gehören für sie beitragsfreie Kitas in ganz Deutschland, der Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung, ein kostenloses Mittagessen und kostenloser ÖPNV für Kinder und Jugendliche. Zudem soll es die Möglichkeit geben, die Elternzeit um weitere zehn Monate zu verlängern, wenn sich die Eltern diese Zeit partnerschaftlich aufteilen.
+++ 14:00: Kämpferischer Klingbeil eröffnet Campaign Camp +++
„Ich freue mich, dass es jetzt endlich losgeht“, sagt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil 113 Tage vor der Bundestagswahl am 26. September. Pünktlich um 14 Uhr eröffnet der Niedersachse das digitale Campaign Camp der SPD. „Ich weiß, dass wir kämpfen können“, sagt Klingbeil und schwört die mehr als 400.000 Mitglieder auf den anstehenden Bundestagswahlkampf ein: „Ich möchte, dass ihr rennt und dass ihr kämpft. Ich möchte, dass im ganzen Land gezeigt wird, dass die Sozialdemokratie Wahlen gewinnt. Heute ist der Startpunkt dafür.“
Zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 trete ein*e Amtsinhaber*in nicht mehr zur Wiederwahl an. Eine besondere Situation, für die Klingbeil die SPD in einer guten Position sieht: „Bei Laschet verdrehen die Leute die Augen, den Grünen traut man das nicht zu, aber Olaf Scholz vertrauen die Leute. Ihn wollen sie im Kanzleramt sehen. Davon bin ich überzeugt.“ Der SPD-Generalsekretär rechnet vor, wenn jedes der 400.000 Mitglieder nur 25 Menschen überzeuge, dass die SPD die richtige Partei sei, wären das 10 Millionen Stimmen für den Wahlsieg.
„Mich ärgert auch wahnsinnig, wie wir in den Umfragen da stehen. Ich will, dass wir besser werden“, sagt Klingbeil. Doch die Antwort der Sozialdemokratie sei in schwierigen Situationen schon immer der Kampf gewesen. „Und genau darum geht es in den kommenden Monaten.“
+++ Darum geht es beim Campaign Camp +++
Schon 2017 stellte sich die SPD mit mehreren Campaign Camps auf den Bundestagswahlkampf ein. Zum Auftakt in Hamburg holten sich 500 vor allem jüngere Mitglieder Ideen für ihre Kampagne vor Ort. Diesmal läuft das Campaign Camp stattdessen aufgrund der Corona-Pandemie digital. Im praktischen Teil geht es u.a. darum, wie der Tür-zu-Tür-Wahlkampf möglichst effektiv genutzt wird, wie ein erfolgreicher Wahlkampf im Internet aussieht und wie aus SPD-Mitgliedern „Kampagnenbotschafter*innen“ werden. „Wir wollen unsere Mitglieder befähigen, auf Basis unserer Haltung und Werte ihre Stimme zu erheben“, verspricht SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo