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Abgetaucht im Wahlkampf: SPD-Kandidat attackiert AfD-Vize Weidel

Unter dem Label „Mut zur Wahrheit“ kokettiert die AfD damit, als einzige Partei kontroverse Themen anzusprechen und zu debattieren. Die Realität sieht anders aus. SPD-Kandidat Leon Hahn greift AfD-Vize Alice Weidel nun direkt an.
von Robert Kiesel · 31. August 2017

Alice Weidel ist nicht dafür bekannt, sich mit markanten Äußerungen in der Öffentlichkeit zurückzuhalten. Zuletzt sprang die AfD-Vizechefin ihrem Parteikameraden Alexander Gauland bei, nachdem dieser die SPD-Politikerin Aydan Özoğuz rassistisch attackiert hatte und damit in Medien und der politischen Konkurrenz auf scharfe Kritik stieß. Als „Geschmackssache“ bezeichnete Weidel Gaulands Wortwahl im ZDF-Morgenmagazin, provozierte wenig später selbst mit der Aussage: „Frau Özoğuz gehört achtkantig rausgeworfen aus Deutschland“.

Hahn wirft Weidel „Schein-Wahlkampf“ vor

Leon Hahn, SPD-Direktkandidat im Bodenseekreis, ist von den Äußerungen Weidels gleich doppelt überrascht. Erstens aufgrund des Inhalts, den Beobachter klar als „rassistisch“ definieren, zweitens aufgrund der Örtlichkeit, an der Weidel die Aussage traf. Statt sich im eigenen Wahlkreis den Wählern zu stellen, tourt Weidel, die neben Gauland Spitzenkandidaten ihrer Partei ist, in den Wochen vor der Bundestagswahl durch die gesamte Nation. Die Aussage zu Özoğuz traf sie im sächsichen Chemnitz und damit mehr als 500 Kilometer von ihrem Wahlkreis entfernt.

„Frau Weidel betreibt hier vor Ort einen reinen Schein-Wahlkampf“, erklärt Hahn angesichts dessen und kann die Aussage mit Fakten hinterlegen. Tatsächlich hat Weidel in ihrem eigenen Wahlkreis noch an keiner Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl teilgenommen - sechs Einladungen schlug sie bislang aus. Weil laut Hahn auch bei den vier noch ausstehenden Podien nicht mit einer Teilnahme Weidels zu rechnen ist, kommt er zu dem Schluss: „Sie ist nicht präsent und verweigert somit sowohl den Austausch mit ihren Wählerinnen und Wählern als auch die Debatte mit der WählerInnenschaft im Allgemeinen.“

„Angst vor der Diskussion, Frau Weidel?“

Auf den durch Weidel verkörperten Widerspruch, sich der politischen Debatte zu entziehen und genau das den etablierten Parteien vorzuwerfen, will er nun aufmerksam machen. Zu diesem Zweck haben Hahn und sein Team Plakate anfertigen lassen, die von Freitag an im Wahlkreis 293 aufgehängt werden. „Angst vor der Diskussion, Frau Weidel (AfD)? Stellen Sie sich der inhaltlichen Debatte in Ihrem Wahlkreis!“ ist darauf zu lesen. Rund 50 dieser Plakate wollen Hahn und sein Team in den kommenden Tagen aufhängen und so darauf hinweisen, dass sich die Direktkandidatin der AfD dort, wo sie sich für die Interessen der Wähler einsetzen soll, faktisch nicht blicken lässt.

„Wir wollen mit der AfD auf ein Podium gehen und sie widerlegen. Es ist wichtig, dass wir die Partei stellen - gerade um ihr die Opferrolle, in die sie sich gerne begibt, nicht durchgehen zu lassen“, erklärt Hahn. Mit Blick auf Weidels Äußerungen zu Aydan Özoğuz, die bundesweit für Schlagzeilen sorgten, sagte er weiter: „Gerade in Zeiten, in denen sie sich so radikal äußert wird deutlich, dass die AfD zwar eine populistische Show inszeniert, sich der politischen Debatte jedoch gezielt entzieht.“

Medienberichte über Weidel-Wohnsitz in der Schweiz

Spannend ist die Aktion Hahns auch vor dem Hintergrund, dass Ende April Berichte die Runde machten, denen zufolge Weidel gar nicht am Bodensee und damit in ihrem Wahlkreis lebe. Einem Bericht der Neuen Züricher Zeitung zufolge sei Weidel zwar in Überlingen und damit auf der deutschen Seite des Bodensees erstwohnsitzlich gemeldet, lebe aber gemeinsam mit ihrer Lebenspartnerin und den gemeinsamen Kindern in Biel (Schweiz) und werde dort auch steuerlich veranschlagt. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding sagte damals: „Wenn das so stimmt, hintergeht sie mit ihrer Spitzenkandidatur ihre Wählerinnen und Wähler. Sie schadet damit der Demokratie.“

Weidel selbst widersprach der Darstellung umgehend, bezeichnete die Berichte als „unsinnige Spekulationen“. Sie habe ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland, sei dort gemeldet, so Weidel weiter. „Steuerrechtlich sind die Verhältnisse vollkommen klar definiert, Spekulationen darüber erübrigen sich“, ergänzte sie.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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