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98,8 Prozent: SPD-Parteitag stimmt für Ampel-Koalitionsvertrag

Der außerordentliche SPD-Bundesparteitag hat dem Koalitionsvertrag mit Grünen und FDP zugestimmt. 98,8 Prozent der Delegierten votierten für das Ampel-Bündnis. Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zuvor das Verbindende der Parteien betont.
von Kai Doering · 4. Dezember 2021
Designierter Bundeskanzler Olaf Scholz: „Ein Aufbruch für Deutschland kann stattfinden.“
Designierter Bundeskanzler Olaf Scholz: „Ein Aufbruch für Deutschland kann stattfinden.“

Deutliches Ergebnis am Ende eines dreistündigen, hauptsächlich digitalen Parteitags: 98,8 Prozent der Delegierten stimmten für den Koalitionsvertrag mit Grünen und FDP. Geben am Sonntag auf die FDP auf ihrem Parteitag und die Grünen in ihrer Ur-Abstimmung, deren Ergebnis am Montag erwartet wird, grünes Licht, sollen der Vertrag am Dienstag unterschrieben und am Mittwoch Olaf Scholz als Bundeskanzler gewählt werden.

„Wir strahlen hinter unseren Masken“, sagt Manuela Schwesig zu Beginn der Aussprache über den Koalitionsvertrag. Mit diesem werde es „gelingen, unser Land besser zu machen“, ist die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern überzeugt. Es werde gelingen, Wirtschaft, Soziales und Klimaschutz zusammenzubringen. „Damit werden wir das Land zusammenhalten“, ist Schwesig überzeugt.

Wichtig dafür sei auch, dass die „CDU als Bremsklotz nicht mehr dabei“ ist. Mit Grünen und FDP werde endlich „mehr Beteiligung junger Menschen“ möglich, ebenso die Förderung und Stärkung der Demokratie. „Mit dem Demokratiefördergesetz zeigen wir, dass wir den Menschen dankbar sind, die sich engagieren“, so Schwesig.

Kutschaty: „Wir haben alle Lust auf diese Koalition.“

Als „Highlight“ wertet auch Thomas Kutschaty den Kinder- und Jugendbereich im Koalitionsvertrag. SPD, Grüne und FDP machten damit deutlich: „Es zählen Fleiß und Talent, nicht die Postleitzahl.“ Den Vertrag insgesamt bewertet der Vorsitzende der NRW-SPD als „absolut glaubwürdig“ und betont: „Wir haben alle Lust auf diese Koalition.“

Auch Jessica Rosenthal wertet den Koalitionsvertrag als „großen Erfolg“ und „harte Teamleistung“. Konkret hebt die Juso-Vorsitzende die Ausbildungsplatzgarantie, die geplante Bafög-Reform und die Abschaffung des Paragrafen 219a heraus. „All das verdeutlicht den Aufbruch, auf den wir gerade als junge Menschen so lange warten“, sagt Rosenthal und betont gleichzeitig: „Die Debatte geht weiter. Auf die Jusos könnt ihr dabei zählen.“

Dass der Koalitionsvertrag auch über Deutschland hinaus stark beachtet wird,  hebt Delara Burkhardt hervor. „In ganz Europa guckt man auf den Koalitionsvertrag der Ampel“, sagt die SPD-Europaabgeordnete. Mit dem Vertrag werde ambitionierter Klimaschutz möglich. Dabei müsse die soziale Frage der „rote Faden“ sein. Burkhardt ist überzeugt: „Die Ampel kann ein Leuchtturm für Europa sein.“

Kühnert: „Fühlt sich richtig gut an!“

Ein bisschen mehr im Bereich der Mietenpolitik hätte sich Parteivize Kevin Kühnert schon gewünscht, gibt er zu. Aber, trotzdem: „Das fühlt sich richtig gut an“, sagt er am Rednerpult in der Parteizentrale. Er legt in seiner kurzen Rede den Fokus auf das geplante Bauministerium und die Vorhaben in Sachen Wohnungs-Neubau. „Das ist ein Transformationsministerium, das sich die SPD gegriffen hat!“, erklärt der Berliner Sozialdemokrat. Es gehe beim Bau von vielen, sozial geförderten Wohnungen, auch um Klimagerechtigkeit, um Barrierefreiheit. „Kanzler für bezahlbares Wohnen“, erinnert er an ein Wahlkampf-Motto, „Diesen Versprechen werden wir deutlich stärker einlösen können, als das bisher der Fall war.“

Als Partei solle die SPD allerdings auch über den Koalitionsvertrag hinaus „hungrig bleiben“, meint Kühnert. Es gelte, programmatisch auf der Höhe zu bleiben, wenn die Realität sich ändert. Um Zustimmung für den Koalitionsvertrag wirbt er mit dem Satz: „Jetzt können wir uns endlich an die Arbeit machen!”

Bullmann: „Europa kann sich auf uns verlassen.“

Aziz Bozkurt spricht als Bundesvorsitzender für die AG Migration und Vielfalt – und sieht im gesellschaftspolitischen Bereich einen deutlichen Fortschritt im Koalitionsvertrag. „Wir werden korrigieren, wo die Union ihren migrationsfetisch auslebte“, sagt er in deutlichen Worten in Richtung der Konservativen. Als Beispiele nennt er den Plan das Staatsangehörigkeitsrecht zu reformieren, die Chance auf eine Staatsbürgerschaft nach bereits drei Jahren und ein Partizipationsgesetz. „Es gibt viel, worüber wir uns freuen können.“

Mit Blick auf eine CDU unter Friedrich Merz sei es umso wichtiger, dass die Ampel funktioniere, wirbt Bozkurt um Zustimmung für die neue Koalition: „Die Radikalisierung in der Union ist Gift für unsere Gesellschaft.“

Als „Chancen, den nächsten Schritt zu gehen für dieses Land“ bezeichnet Svenja Schulze den Koalitionsvertrag – und betont gleichzeitig: „Wir brauchen diesen Schritt auch.“ Vieles, was beim Klimaschutz notwendig sei, habe man mit CDU und CSU nicht umsetzen können. Das Ampel-Bündnis mit Grünen und FDP mache es nun möglich, „das entscheidende Jahrzehnt für den Klimaschutz“ einzuleiten und „Olaf Scholz als ersten Klimakanzler“ zu wählen.

Dreyer: „Werden verlässlich umsetzen, was wir versprechen.“

„Es ist ein richtig tolles Europakapitel geworden“, lobt Udo Bullmann. „Wir sind die Partei, die Europa und den Internationalismus lebt“, hebt der Europaabgeordnete und Europabeauftragte der SPD hervor. Die deutschen Sozialdemokrat*innen machten mit dem Koalitionsvertrag deutlich: „Europa kann sich auf uns verlassen und die sozialdemokratische Familie kann sich auf uns verlassen.“

Als letzte Rednerin betont Malu Dreyer: „Das ist ein wunderbarer Vertrag. Wir können sehr froh und zufrieden sein.“ Es sei ein ganz besonderer Tag für die Sozialdemokratie sagt die rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin und verspricht: „Wir werden verlässlich umsetzen, was wir versprechen.“ Die SPD wolle „aus diesem Koalitionsvertrag das Bestmögliche herausholen“ und „den Geist des Aufbruchs und des Fortschritts“ bewahren. „Ich freue mich“, so Dreyer, „dass die Sozialdemokratie die nächsten Jahre prägen wird.“

Scholz erinnert an Wahlsieg der SPD

Olaf Scholz beginnt seine Rede an diesem Samstag erstmal mit einer Erinnerung daran, was die SPD im Wahlkampf erreicht hat: Verschwiegenheit, Geschlossenheit und dann schließlich der Wahlsieg der SPD bei der Bundestagswahl. „Wir haben uns untergehakt, wir haben diese Bundestagswahl gewonnen!“, ruft er ins Atrium im Willy-Brandt-Haus – und erntet viel Applaus.

Doch er hält sich nicht lange mit der Vergangenheit auf, sondern erinnert daran, dass die Ampel-Koalition schon jetzt Verantwortung übernommen habe – bevor SPD, Grüne und FDP überhaupt in Regierungsverantwortung sind. „Jetzt werden Weichen gestellt“, erinnert er an die Entscheidung, einen neuen Krisenstab im Kampf gegen die Corona-Pandemie einzurichten und die Impfkampagne voranzubringen. Es gehe darum, dass viele Millionen Menschen ihre Auffrischumgsimpfungen bekämen „und zwar jetzt, im Dezember“.

SPD: Immer eine Partei des Fortschritts

Doch es geht Olaf Scholz an diesem Mittag vor allem um Fortschritt und Aufbruch in die Zukunft – und er lässt keinen Zweifel daran: Zusammen mit Grünen und FDP ist es möglich, diesen Fortschritt zu gestalten. Die SPD sei immer eine Partei des Fortschritts gewesen, genau in diesem Punkt gebe es viele Überschneidungen mit den Grünen und den Liberalen. „Das verbindet uns“, sagt Scholz. Fortschritt müsse man aber auch wagen, appelliert er. „Der ergibt sich nicht, er wird gemacht!“

Vor allem bei den großen Herausforderungen erinnert er daran: Die neue Ampel-Koalition trete an, um wiedergewählt zu werden. Das sei aufgrund der langfristigen Perspektive bei manchen Entscheidungen auch notwendig, erklärt Scholz am Beispiel des Schienennetzes. Die Verbesserungen durch manche Entscheidungen, die jetzt zu treffen seien, werde man möglicherweise erst im kommenden Jahrzehnt spüren.

Scholz wirbt um Verantwortung und Zustimmung

Beim Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel erinnert er an die globale Verantwortung – und welche besondere Rolle Deutschland dabei hat: „Wenn wir das nicht machen, entwickelt niemand die Technologien und zeigt niemandem wie es geht!“ Statt Verzicht zu predigen „zeigen wir auf, wie es anders geht!“, so Scholz weiter. Die neue Koalition setze auf Innovation, Wissenschaft und dynamisches Unternehmertum.

Und: Vieles was die SPD auf die Wahlplakate geschrieben habe, erinnert Scholz, stünde nun im Koalitionsvertrag. Dabei zählt er unter anderem auf: Stabile Renten, Kindergrundsicherung und ein höherer Mindestlohn. „Ein Aufbruch für Deutschland kann stattfinden“, ist er überzeugt und wirbt unter den 600 Deligierten um Zustimmung. „Es muss mal weitergehen und darum brauchen wir eine neue Regierung“, sagt er mit einem letzten Seitenhieb auf die Konservativen und die abgewählte Große Koalition. „Stimmt dem Koalitionsvertrag zu. Lasst uns mehr Fortschritt wagen!“ Der Abschluss der Rede von Olaf Scholz geht in minutenlangem Applaus unter.

Esken: „Mit der Ampel schreiben wir Geschichte.“

Zum vorletzten Mal betritt SPD-Chef Norbert Walter-Borjans die Bühne eines Parteitags. Anders als seine Co-Vorsitzende Saskia Esken wird „Nowabo“ wie sie ihn in der Partei nennen, beim Parteitag in einer Woche nicht erneut für den Vorsitz kandidieren. Bevor er auf den Koalitionsvertrag zu sprechen kommt, nimmt Walter-Borjans Bezug auf die Ereignisse vor dem Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping am Vorabend: Einige Dutzend Menschen hatten dort mit Fackeln demonstriert. „Das ist faschistoid und hat mit freier Meinungsäußerung nichts zu tun“, sagt Walter-Borjans und sichert Köpping die „Solidarität des Parteitags“ zu.

Dann kommt der Parteivorsitzende zum Koalitionsvertrag. „Die Bremser haben verloren“, sagt Walter-Borjans. „Die Sozialdemokratie ist die führende Kraft in diesem Land.“ Den Sieg bei der Bundestagswahl werde die SPD nutzen und „einen Aufbruch wagen und die Bremsen zu lösen“. Zwölf Millionen Wähler*innen hätten die Zweifler Lügen gestraft und der SPD den Wahlsieg beschert. Ganz entscheidend dafür sei der Einsatz der rund 400.000 SPD-Mitglieder gewesen. „Ihr wart die Basis dafür, dass wir das geschafft haben, was wir heute beschließen wollen“, sagt Walter-Borjans an die digital zugeschalteten Zuschauer*innen.

„Der Schlüssel für den Erfolg ist und bleibt unsere Einigkeit“, betont auch Saskia Esken. Diese entstehe „durch gemeinsame Überzeugungen“. Die „Mission“ der SPD sei klar: „Wir wollen das Leben der Menschen besser machen.“ Dass dies in der Koalition mit Grünen und FDP gelingen wird, davon ist die SPD-Vorsitzende überzeugt. „Es ist ein Bündnis, das auf Offenheit und Vertrauen basiert“, sagt Esken. Es sei so auch eine „Chance für die politische Kultur“. Gemeinsam werde man zeigen, „was im 21. Jahrhundert soziale Gerechtigkeit bedeutet. Esken ist sich sicher: „Mit der Ampel schreiben wir Geschichte.“

Klingbeil: „Fortschrittsregierung mit Grünen und FDP“

„Wir stimmen heute nur über einen einzigen Satz ab, aber der hat es in sich“, eröffnet SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil den außerordentlichen Parteitag. „Er ist die Grundlage für eine Fortschrittsregierung mit Grünen und FDP.“ Wenn die SPD am Samstag, die FDP am Sonntag und die Grünen am Montag dem Koalitionsvertrag zustimmten, werde nicht nur Olaf Scholz in der kommenden Woche zum Bundeskanzler gewählt. Es sei auch die Grundlage dafür, dass Deutschland in vielen Bereichen modernisiert werde.

Ein – weitgehend digitaler – Sonderparteitag der SPD entscheidet am Samstag über den Koalitionsvertrag mit Grünen und FDP. Im Willy-Brandt-Haus wird nur die Parteispitze vertreten sein. Die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans werden ebenso von hier zu den 600 Delegierten sprechen wie der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz. Auch die Abstimmung wird digital erfolgen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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