Parteileben

70 – und kein bisschen leise

von Renate Faerber-Husemann · 12. August 2013

Gerade hat sie ihrem Zorn in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung Luft gemacht:  Es ging – natürlich – um den NSA-Skandal und die devote Rolle der Bundesregierung. „Allmachtsphantasien“ nannte Herta Däubler-Gmelin das Geschwafel des Bundesinnenministers Friedrich vom „Supergrundrecht Sicherheit“. Heute wird sie 70 Jahre alt.

Die einstige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin sieht das ganz klar als Angriff auf die Verfassung, weil „die Grundrechte dann weniger gelten würden als die Anordnungen der Sicherheitsbehörden und Geheimdienste“. Für die linke leidenschaftliche Demokratin waren und sind „das Grundgesetz und die Bibel“ die Leitsterne ihres politischen und privaten Lebens. „Da steht alles drin, das sind unsere ethischen und rechtlichen Fundamente.“

Eine absolut loyale Freundin

Nun also wird sie am 12. August 70 Jahre, gefeiert wird mit Familie und Freunden in einem kleinen Dorf in der Uckermark nahe der polnischen Grenze. Dort fühlt die Tübingerin sich seit vielen Jahren wohl, und dorthin fährt sie von Berlin aus immer wieder zum Durchatmen. Und alle werden sie kommen trotz der beschwerlichen Anreise. Denn „Herta“, wie alle sie nennen, die Unprätentiöse,  die Schwierige, die Lachlustige kann zwar ganz schnell von fröhlichem Spott auf Angriff umschalten, aber sie ist eben auch eine absolut loyale Freundin. Deshalb können nicht wenige der Festgäste auf ein halbes Jahrhundert Gemeinsamkeit mit ihr zurückblicken.

Ruhiger ist sie nicht geworden, milder schon. In die innenpolitische Arena steigt sie nur noch, wenn in ihren Augen wirklich viel auf dem Spiel steht. So wie zum Beispiel 2012, als sie für den Verein „Mehr Demokratie“ Verfassungsbeschwerde gegen den Euro-Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt einreichte. Es ging nicht gegen Europa und nicht darum, die deutschen Taschen zuzuhalten, sondern allein um das wenig demokratische Verfahren, ohne Mitwirkungsrecht der Bürger, ohne Berücksichtigung des Haushalts-und Kontrollrechts des deutschen Parlaments.

1988 Parteivize, 1998 Justizministerin

Fast 40 Jahre, von 1972 bis 2009, saß sie im Bundestag, und eine Hinterbänklerin war sie nie. 1988 wurde sie stellvertretende SPD-Parteivorsitzende, der erste Einbruch einer Frau in diesen bis dahin exklusiven Männerclub. 1998 dann bekam die langjährige Vorsitzende des Rechtsausschusses ihren Traumjob: Sie wurde Bundesjustizministerin, eine brillante und äußerst erfolgreiche, wie auch ihre Gegner einräumen. Vier Jahre später musste sie gehen. In der aufgeheizten Stimmung vor dem Irakkrieg hatte sie – laut einer Tübinger Zeitung – Bushs kriegerische Außenpolitik als Ablenkung von innenpolitischen Schwierigkeiten gedeutet und mit der Hitlers im Jahre 1938 verglichen. Viele gaben ihr im Geheimen Recht, doch ihr Amt verlor sie.

Seither arbeitet sie wieder als Anwältin und lehrt an Universitäten im In- und Ausland. Sie leitete bis 2009 mit viel Engagement im Bundestag den Ausschuss für Menschenrechte und ist bis heute für internationale Institutionen rund um den Globus unterwegs. Sie hält Vorträge, diskutiert am liebsten mit jungen Menschen, ist Beraterin in Sachen Menschenrechte.

Seit über 40 Jahren ist sie mit dem Arbeitsrechtler Professor Wolf Däubler verheiratet, sie hat zwei Kinder und drei Enkel, die eindeutig der Mittelpunkt ihres Lebens sind. Sie telefoniert nun manchmal von einem Kinderspielplatz in Stuttgart aus. Doch so lange die Gesundheit das mitmacht, wird das weiterhin nur ein Teil ihres Lebens sein. Auf die Frage, wo steckst Du gerade, kommt häufiger die Antwort: In Sambia oder Kambodscha, in China oder Georgien. Sie versucht dann immer, ein bisschen mehr zu sehen als Konferenzräume und Hörsäle. Aber Ferien? Dazu fällt ihr wenig ein. Vielleicht einmal ein Nachtmittag mit einem Krimi unter ihrem geliebten Walnussbaum zu Hause in Dusslingen bei Tübingen.

Autor*in
Renate Faerber-Husemann

(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.

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