150 Jahre: Die SPD Rödermark erfindet sich neu
Carl-Friedrich Hoeck
Stolz präsentiert Klaus-Joachim Rink den Briefumschlag. „150 Jahre Sozialdemokratie in der Röder Mark“ lautet die Inschrift auf dem Poststempel. Der Umschlag ist mit dem SPD-Emblem verziert, auch die Wappen der Stadt Rödermark und ihrer früher selbstständigen Ortsteile Ober-Roden und Urberach sind aufgedruckt. Eine Briefmarke mit dem Konterfei von Karl Marx rundet den Gesamteindruck ab.
Der Sonderbrief ist Rinks persönlicher Beitrag zum Jubiläum des SPD-Ortsvereins Rödermark. „Ich bin Briefmarkensammler, Philatelist, seit Kindheitstagen“, sagt der Renter mit der kräftigen Stimme und dem charakteristischen grauen Pferdeschwanz. Also hat er Kontakt mit der Sammlerstelle der Deutschen Post in Weiden aufgenommen, um den Briefumschlag samt eigenem Poststempel zu ermöglichen. Im Umschlag stecken zwei Blätter, auf denen die lokale SPD-Geschichte nachzulesen ist. Für 4,50 Euro kann man den Brief erwerben – als Andenken, zum Weiterverschicken oder einfach als Sammlerstück. „Sogar aus Luxemburg hat sich ein Sammler gemeldet“, berichtet Rink.
Gebührend gefeiert hat die SPD in Rödermark – einer Kleinstadt bei Frankfurt am Main – ihr Jubiläum im August in der Kulturhalle Ober-Roden, mit rund 250 Gästen und einer aufwendig gestalteten Festschrift. Diesmal hatten die Genossen mehr Vorbereitungszeit als vor fünf Jahren: Weil neue Dokumente aufgetaucht waren, hatten sie die Feier zum 145. Bestehen damals kurzfristig vorverlegen müssen. Dem „vorwärts“ erzählten die Rödermärker seinerzeit: Es gelinge wieder, mehr junge Leute für die politische Arbeit zu gewinnen.
Politischer Pastor
Ein Gesicht dieser Generation ist Samuel Diekmann, 37 Jahre alt und seit einem Jahr Fraktionsvorsitzender in der Stadtverordnetenversammlung. Der Mann mit dem gepflegten Vollbart und den gegelten Haaren ist alles andere als ein klassischer Politiker. Ursprünglich als Industriemechaniker ausgebildet, arbeitete er bis vor kurzem noch als Pastor in einer evangelischen Freikirche. Jetzt leitet er eine Agentur, die Redner für Hochzeiten und andere Anlässe vermietet.
Im vergangenen Jahr trat Diekmann für die SPD zur Bürgermeisterwahl an. Realistisch betrachtet war er ohne echte Siegerchance. Die eher konservative Stadt wird politisch von CDU und Grünen dominiert. Doch sein Ergebnis, 15,2 Prozent, verbucht der Jungpolitiker als „Achtungserfolg“. Ihm hätten gerade neue, junge Wähler ihr Vertrauen geschenkt. „Allein dafür war es das wert“, zeigt sich Diekmann zufrieden. Denn wenn man diese Gruppe auf Dauer nicht wirklich erreiche, „dann bricht einem etwas weg“.
Moderner Wahlkampf
Auf diese Wählergruppe zielte auch seine Kampagne. „Nur mit Zeitungsartikeln und Plakaten erreicht man manche Leute nicht mehr“, ist Diekmann überzeugt. Also setzte er neben dem Haustür-Wahlkampf vermehrt auf soziale Medien. Für ihn ist das vertrautes Terrain – schon als Pastor hatte er regelmäßig seine Reden als Podcast ins Internet geladen. Auf Facebook machte er auch Erfahrung mit Pöblern, die hasserfüllte und fremdenfeindliche Kommentare auf seine Seite schrieben. Einige von ihnen lud er zu einem persönlichen Treffen ein. Und plötzlich änderte sich die Tonlage. „Ich suche immer das Gespräch“, sagt Diekmann über sich. Er will mit Argumenten überzeugen oder wenigstens für einen guten Umgang miteinander werben. „Das hat natürlich auch Grenzen, wenn jemand nicht lösungsorientiert ist.“
Nach der Bürgermeisterwahl und der Jubiläumsfeier richtet sich der Blick der Rödermärker Genossen nun nach vorn. Am 28. Oktober steht in Hessen eine Landtagswahl an. Die Landespartei will noch ordentlich zulegen, um die Union aus der Regierung drängen zu können.
Auf die Sozialdemokraten aus Rödermark kann SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel dabei zählen. Natürlich wollen sie mithelfen, erklärt Ortsvereinsvorsitzender Hidir Karademir: Plakatieren, bei den Vereinen Präsenz zeigen, Straßenwahlkampf führen. Samuel Diekmann hofft, dass die Wähler die Leistungen der SPD im Landtag honorieren. „Thorsten Schäfer-Gümbel arbeitet wie ein Hund. Das sehen die Leute, die ihn kennen. Ich hoffe, dass es auch die Bürger sehen.“
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.