140 Jahre vorwärts: „Ein besonderes Jubiläum in besonderen Zeiten“
Dirk Bleicker
140 Jahre sind eine lange Zeit. Eine Zeit, in der viel passiert ist: In Deutschland endete das Kaiserreich, zwei Weltkriege forderten unzählige Todesopfer, Diktaturen kamen und fielen – der „vorwärts“ war stets mittendrin, berichtete und wurde mehr als einmal Opfer von Zensur und Verbot. „Der ‚vorwärts’ hat widerstanden, wenn es darauf ankam und ist stets seinen Werten treu geblieben“, würdigte Karin Nink am Montag die Verdienste einer der ältesten Zeitungen Deutschlands, deren Geschicke sie als Chefredakteurin seit mehr als drei Jahren leitet. Im vergangenen Jahr kam auch noch die Aufgabe als Geschäftsführerin hinzu.
Journalismus kostet Geld
Am 1. Oktober 1876 erschien die erste Ausgabe des „Vorwärts“ als „Centralorgan der Sozialdemokratie Deutschlands“ in Leipzig. Wenige Tage vor dem offiziellen Jahrestag hatte der Verlag am Montag ins Willy-Brandt-Haus zur Geburtstagsfeier eingeladen. Auf dem Programm: eine Diskussion über „Medien in Zeiten der Krisen“.
„Journalismus kostet Geld, aber vor allem jüngere Leser sind nicht mehr bereit, für Medien zu bezahlen“, beschrieb der Schweizer Medienwissenschaftler Jens Lucht eines der Probleme, mit denen Zeitungen aktuell zu kämpfen haben. Vor allem im Internet herrsche eine „Gratis-Kultur“. Hier sei es zurzeit nahezu unmöglich für Verlage, Geld zu verdienen. Eine Beobachtung, die auch Dietmar Nietan gemacht hat. „Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte darüber, ob wir Qualitätsjournalismus auch weiterhin finanzieren wollen“, forderte der Schatzmeister der SPD, der in dieser Funktion auch Generaltreuhänder der Medienbeteiligungen der Partei ist.
Die Vorteile einer Parteizeitung
„In der Zeitungsbranchen sind noch immer Renditen im zweistelligen Bereich an der Tagesordnung“, hielt Bascha Mika, Chefredakteurin der „Frankfurter Rundschau“ (FR), dagegen. Davon könnten andere Unternehmen nur träumen. Allerdings sieht auch Mika die Probleme der Branche. „Der Printbereich ist noch immer die Milchkuh, Online das Kälbchen“, sagte sie. Den einen gegen den anderen Bereich ausspielen zu wollen, sei deshalb „unnötig wie ein Kropf“. Die Frage, die sich Redaktionen stellen sollten, dürfe daher nicht lauten: „Verbreiten wir Inhalte in der gedruckten Zeitung oder im Internet?“ Sondern: „Verbreiten wir Qualität?“
Dass eine Parteizeitung wie der „vorwärts“ in diesem rauen Umfeld durchaus einen Vorteil haben kann, unterstrich Jens Lucht: „Man kann sich publizistisch besser ausleben“, zeigte sich der Medienwissenschaftler überzeugt. Doch geht das nicht auf Kosten der Pressefreiheit? Auch auf dem freien Markt gebe es Abhängigkeiten, gab Karin Nink zu bedenken. „Bei einer Parteizeitung ist das Umfeld klar, in dem sie sich bewegt.“ Die Kunst sei, sich eine „Unabhängigkeit in abhängigen Zuständen“ zu bewahren, stimmte ihr FR-Chefin Bascha Mika zu.
Der SPD nicht nach dem Mund reden
„Der ‚vorwärts’ hat es leichter und schwerer zugleich“, hatte zuvor bereits SPD-Generalsekretärin Katarina Barley die besondere Stellung des 140-Jahre-Blattes betont. Zwar sei der „vorwärts“ als Parteizeitung klar auf eine Linie festgelegt, könne dafür aber ökonomisch freier agieren – in Zeiten sinkender Auflagen und einem Verlust an Medienvielfalt durchaus ein Pluspunkt. Der 140. Geburtstag sei daher „ein besonderes Jubiläum in besonderen Zeiten“.
Zudem bedeute Parteizeitung zu sein nicht automatisch, unkritisch zu sein. „Den ‚vorwärts’ hat immer ausgezeichnet, dass er der SPD nicht nach dem Munde redet“, hob Katarina Barley hervor. Das müsse sich die Redaktion auch künftig erhalten, denn nur so könne sie auch mal Debatten initiieren, die die SPD „nicht immer so offen führen kann“. Der Partei verbunden, aber ihr gegenüber nicht unkritisch – „so muss der ‚vorwärts’ sein!“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.