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100 Jahre SPD Cappel: Eine Bastion der Sozialdemokratie

Im Herbst 1919 gründeten 17 Männer in Hessen den Ortsverein Cappel. Heute gehört der Ort zu Marburg, doch auch 100 Jahre später haben sich die Genossinnen und Genossen eine ganz eigene Art erhalten.
von Philipp Gräfe · 12. September 2019
Auch hundert Jahre nach ihrer Gründung noch eine Bastion der Sozialdemokratie: die Cappeler SPD
Auch hundert Jahre nach ihrer Gründung noch eine Bastion der Sozialdemokratie: die Cappeler SPD

Es begann in einem Dorf – „einer anderen Welt“, wie der ehemalige Landrat Kurt Kliem sagt – nur fünf Kilometer von der Universitätsstadt Marburg entfernt. Also eigentlich in „feindlichem Land“ für Sozialdemokraten, denn von der späteren SPD-Dominanz nach dem Krieg konnten die Genossen damals nur träumen. Es waren Zeiten, in denen noch eine SPD-Agitationsgruppe auf Fahrrädern, genannt die „rote Kavallerie“, ins Dorf zog, um Arbeiter für die sozialdemokratische Sache zu gewinnen. Zeiten, als man in Gaststätten auch noch Zeuge von Schlägereien zwischen sozialdemokratischen Handwerkern und Konservativen werden konnte.

Die Nazizeit überlebt

Den Notizen des späteren Cappeler Bürgermeisters Conrad Hahn zufolge gründeten im Herbst 1919 17 Männer um Heinrich Waldschmidt den SPD-Ortsverein in der damals selbstständigen Gemeinde Cappel. In einem großen Festakt haben die politischen Nachfahren von einst an die wechselvolle Geschichte erinnert. Neben Genossen wohnten auch Vertreter der politischen Konkurrenz und manche Nachfahren der damaligen Gründungsmitglieder bei, während die beiden Vorsitzenden Fatma Aydin und Dietmar Dern durch das Programm führten. Ihnen allen eröffneten die Cappeler Leo Bauer und Sylvia Burghardt einen Blick in die Anfänge und die Schwierigkeiten einer lokalen Parteigliederung, die letztlich auch die Nazizeit überlebte und die Politik vor Ort bestimmte.

Welche Bedeutung das ehemals so kleine Dorf Cappel und vor allem der dortige SPD-Ortsverein für die heutige Politik von Marburg und im Kreis hat, machten nicht zuletzt die geladenen Redner deutlich. Von den Ehrengästen wurde der Ortsverein als „Bastion der Sozialdemokratie“ gewürdigt. Auch der kommissarische SPD-Vorsitzende und hessische Parteichef Thorsten Schäfer-Gümbel richtete seine Grüße von der Ferne aus. Er hatte bereits seine Teilnahme am Cappeler Festakt zugesagt, bevor ihm unerwartet der kommissarische SPD-Vorsitz dazwischenkam.

Berühmtes Cappeler Selbstbewusstsein

Oberbürgermeister Thomas Spies stellte den Ortsverein als „persönlichen Leumund“ heraus, als Ansprechpartner für die Menschen im Ort mit ihren Problemen und als entscheidendes Bindeglied zwischen der vermeintlich großen Politik und den kleinen Leuten. Er sei die Kraft, damit, wenn etwas schief geht, die Leute aufgefangen werden. Seit ihrer Gründung hat sich die SPD für den Schutz der kleinen Leute eingesetzt. In Cappel besonders, denn hier war die SPD nie so akademisiert wie sonst in Marburg.

Berühmt (oder berüchtigt) sei auch das Cappeler Selbstbewusstsein. Dies bewiesen die Cappeler denn auch gleich selbst, in den Reden ließen sie es nicht an kleinen Spitzen in Richtung der Stadtführung oder der aktuellen Bundespolitik fehlen. Auch für den heutigen Vizefraktionsvorsitzenden im Bundestag Sören Bartol sei seine Zeit in Cappel die „Schulung“ für den späteren politischen Weg gewesen. „In der Cappeler SPD ist man solidarisch untereinander, kritisch gegenüber anderen Parteistrukturen“, scherzte Marburgs Stadtverbandsvorsitzender Thorsten Büchner. Dies sei „gelebte innerparteiliche Demokratie!“

Mit Mut die Zukunft gestalten

Selbst die evangelische Kirche, in den Gründungsjahren nach dem ersten Weltkrieg noch erbittertste Gegnerin der SPD, war durch Pfarrerin Zeeden und Pfarrer Glänzer vertreten und lobte die gute Zusammenarbeit. Die Cappeler SPD sei heute die „entscheidende Achse der Unterstützung“, wenn die Kirchengemeinde Unterstützung brauche. Auch lobten sie, wie die SPD eine „Plattform fürs Zusammenkommen“ der Cappelerinnen und Cappler darstelle. Der langjährige Ortsvorsteher Heinz Wahlers hielt später fest: die besten „Bürgerbeteiligungsprojekte“ sind immer noch die Parteien.

„Wir können heute nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, was die Gründungsväter unseres Ortsvereins im Detail bewogen hat, in Cappel einen Ortsverein zu gründen“, erklärt die Co-Vorsitzende Fatma Aydin. „Aber es bedeutete sicherlich Mut. Und mutig zu sein, bedeutet nicht, keine Angst zu haben. Sondern es trotzdem zu tun.“ Mut für den Blick nach vorne und eben nicht nur in den Rückspiegel der Geschichte. Es sei an der Zeit, mutig Fehler zu benennen, hieraus zu lernen und es besser zu machen, so Aydin. „Nehmen wir all unseren Mut, um die Zukunft auch weiterhin sozialdemokratisch zu gestalten!“

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