Meinung

Das Verfassungsgericht unterstreicht: Grundrechte kennen keine Kontaktverbote

Das Bundesverfassungsgericht hat erstmals während der bestehenden Corona-Einschränkungen das Verbot einer Demonstration als Verstoß gegen das Grundgesetz beanstandet. Das ist ein wichtiges Zeichen und unterstreicht die Bedeutung der Grundrechte auch in der Krise.
von Kai Doering · 17. April 2020
Dank nach Karlsruhe: Das Bundesverfassungsgericht hat die Grundrechte in Zeiten von Corona gestärkt.
Dank nach Karlsruhe: Das Bundesverfassungsgericht hat die Grundrechte in Zeiten von Corona gestärkt.

Den Deutschen wird gerade allerhand zugemutet. Seit einem Monat gelten umfangreiche Kontaktverbote. Auf die Straße darf man höchstens zu zweit und nur mit ausreichend Abstand. Kitas, Schulen und öffentliche Einrichtungen sind geschlossen. Das Ganze wird noch mindestens zwei Wochen so weitergehen, eher länger.

Nahezu kein Grundrecht ist zurzeit unangetastet

Neben den praktischen Einschränkungen, die die Auflagen von Bund und Ländern für das tägliche Leben bedeuten, haben sie auch eine verfassungsrechtliche Dimension. Die Einschränkungen berühren fast jedes Grundrecht, das das Grundgesetz garantiert. Wir dürfen uns nicht mehr frei bewegen, der Staat kontrolliert den öffentlichen Raum, schreibt uns sogar vor, wen wir in unseren eigenen vier Wänden empfangen dürfen und wen nicht. Die Freiheit ist in einem Maße eingeschränkt, wie wir es aus der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik nicht kennen.

Zwar heiligt in diesem Fall tatsächlich der Zweck, nämlich der Schutz aller vor einer tödlichen Krankheit, die Mittel, doch es sollte immer wieder darauf hingewiesen werden: Es handelt sich um massive Eingriffe in die Rechte eines jeden und diese sollten immer nur so kurz wie irgend möglich sein.

Die Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das am Donnerstag im Eilverfahren das Verbot einer Demonstration in Gießen mit Verweis auf die Versammlungsfreiheit gekippt hat, verdient deshalb besondere Beachtung. Zum ersten Mal urteilten die Karlsruher Richter*innen während der Corona-Ausnahmesituation und stärkten damit ein von der Verfassung garantiertes Grundrecht.

Den Verfassungsrichter*innen gebührt Dank

Der Einzelfall ist dabei gar nicht so entscheidend. Karlsruhe zeigt mit seiner Entscheidung vor allem, dass Grundrechte in einer Ausnahmesituation wie der Corona-Krise zum Wohle aller zwar vorübergehend eingeschränkt werden können, dies aber nicht pauschal erfolgen darf und stets gut begründet werden muss. Dafür gebührt den Verfassungsrichter*innen großer Dank. Sie haben deutlich gemacht: Grundrechte kennen keine Kontaktverbote.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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