EXIT-Fotoausstellung „Lebensbilder – Wege aus dem Extremismus“: Mit Einwegkameras dokumentieren sechs Personen ihren Ausstiegsprozess aus der rechten Szene.
Die Ausstellung, die bis zum gestrigen Montag in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin gezeigt wurde, ist aus einer Kooperation von EXIT- Deutschland und des Instituts für Erziehungswissenschaften der Technischen Universität Braunschweig heraus entstanden. EXIT- Deutschland gibt es seit 2000 und hat seitdem über 400 Personen Hilfe zur Selbsthilfe beim Ausstieg aus der rechtsextremen Szene geleistet. Seit 2010 können die Teilnehmer im Rahmen einer Fotowerkstatt unter der Leitung von Fabian Wichmann ihren Ausstiegsprozess mit einer Einwegkamera festhalten. Die Teilnehmer betexten die Bilder mit ihren Gefühlen und Gedanken.
Die Analyse der Bilder dient hierbei der inneren Analyse. Es geht für die Teilnehmer um eine nachhaltige, reflektierte Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Für die Ausstellung „Lebensbilder – Wege aus dem Extremismus“ wurde von sechs Teilnehmern der Fotowerksatt jeweils ein Bild ausgesucht. Im Rahmen des Forschungsseminars: „Forschen mit Bildern - Fotos von Aussteigern aus dem Rechtsextremismus“ unter der Leitung von Ulrike Pilarczyk (Universität Braunschweig) interpretierten ihre Studenten die Bilder und bearbeiteten sie für die Ausstellung nach.
Neue Perspektiven
Herausgekommen ist zum einen eine Bildserie mit beklemmenden und düsteren Aufnahmen. Sie zeugen von Einsamkeit, Leere und Trostlosigkeit. Ein wiederkehrendes Motiv sind Zäune und Gitter, die die Sicht beschränken oder versperren. Zum anderen sind Schienenwege, Waldwege, Wasserwege, Fußwege und Kreuzungen immer wieder auf den Fotos. Sie vermitteln ein positives Bild und zeigen neue Möglichkeiten, neue Perspektiven auf.
Die Teilnehmer der Ausstellung sind zwischen 16 und 38 Jahre alt, männlich und weiblich. Einige sind bereits ausgestiegen, andere sind noch in der Szene verankert und befinden sich im Ausstiegsprozess. Ihre unterschiedlichen Biografien bringen unterschiedliche Einstiegs- und somit unterschiedliche Ausstiegsmotive mit sich, daher wird jeder der Ausstiegswilligen von EXIT-Deutschland individuell betreut.
Ein Wendepunkt
Die Entscheidung für den Ausstieg aus der Szene ist für die Teilnehmer ein Wendepunkt in ihrem Leben. Das alte Leben - das soziale Umfeld und den Heimatort - lassen sie hinter sich. Sie suchen neuen Halt außerhalb der rechtsextremen Szene. Dieser Halt kann durch neue persönliche und berufliche Aussichten erfolgen und an diesem Punkt setzt EXIT- Deutschland an. Das Aussteigerprogramm unterstützt die Teilnehmer dabei eine Ausbildung oder einen (neuen) Arbeitsplatz zu finden, denn dieser bietet die Aussicht auf gesellschaftliche Teilhabe, auf soziale Anerkennung und neue soziale Bindungen.
Auf der Abschlussveranstaltung am gestrigen Montag in der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde das Projekt von Fabian Wichmann und Ulrike Pilarczyk nochmals vorgestellt. Nach einem gemeinsamen Rundgang durch die Ausstellung hatten die Anwesenden die Gelegenheit zu einem Gespräch mit einem Teilnehmer des EXIT-Aussteigerprogramms. Der junge Mann berichtet über seine Vergangenheit in der rechten Szene und über die Schwierigkeiten des Ausstiegs. 15 Jahre befand er sich im rechtsextremen Umfeld, 6 Jahre davon war er fest in die Strukturen der Szene eingebunden und führte eine Gruppe an. Sie führten einen „Krieg gegen das Scheißsystem. 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche.“ Er saß im Gefängnis, war an Straftaten beteiligt oder sie fanden unter seiner Federführung statt.
„Ein zweites Leben“
Das Leben in der Szene vergleicht er mit dem Leben in einer Sekte, aus der man nicht einfach so austreten kann. Der genaue Beweggrund für den Ausstieg aus der Szene bleibt dem Zuhörer verborgen. Deutlich wird aber, wie schwierig der Weg war. Auf die Distanzierung reagierte die Szene misstrauisch. Der Aussteiger wurde verfolgt, observiert und fotografiert. Als er von seinen ehemaligen Kameraden zur Rede gestellt wurde, wird ihm klar, wie gefährlich für ihn die Situation geworden war. Er wurde als „Verräter“ beschimpft und körperlich bedroht. Er musste die Flucht ergreifen. Aus Freunde waren Feinde geworden. Aus Gründen der persönlichen Sicherheit musste er den Wohnort wechseln. Er baute sich ein neues soziales Umfeld auf, holte das Abitur nach und absolviert nun ein berufsbegleitendes Studium. Auf die Frage hin, was er denn durch den Ausstieg gewonnen hätte, antwortet er: „Ein zweites Leben“.