Geschichte

Willy Brandt: Er war ein Berliner

von Egon Bahr · 19. April 2013

In Berlin begann seine politische Karriere. In Bonn schuf er mit der Entspannungspolitik neue Perspektiven für die geteilte Stadt. Als Berlin Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands wurde, war das die Krönung seines Lebenswerkes

Willy Brandt ist als Name in den Geschichtsbüchern des letzten Jahrhunderts von Berlin gar nicht zu trennen oder wegzudenken. Seine antifaschistische Vergangenheit verschaffte ihm Vertrauen im Osten, seine Festigkeit in der Verteidigung der bedrängten Stadt gegen die Herausforderungen des Ostens verschaffte ihm Vertrauen im Westen. Er war in der gegebenen Situation der Glücksfall, durch keinen anderen Menschen ersetzbar, um glaubwürdig und unbeirrbar seine Entspannungspolitik verfolgen zu können.

Die Mauer war der Höhepunkt des Kalten Krieges. Kein anderer als der Regierende Bürgermeister hätte mit Zustimmung der Vier Mächte, im Besitz der unkündbaren Siegerrechte für Deutschland und Berlin, die Politik der kleinen Schritte, mit der DDR als Verhandlungspartner einleiten können. Niemand ahnte, dass die Passierscheine auch der Anfang vom Ende der Mauer werden würden. Er hielt Wort, nachdem er als Außenminister nach Bonn ging, um die Fortsetzung dort auf nationaler Ebene zu betreiben.

Der Moskauer Vertrag wurde der Schlüssel auch für die europäische Sicherheitskonferenz in Helsinki 1975 mit der bestätigten Vereinbarung, dass alle Grenzen in Europa nur in gegenseitigem Einvernehmen verändert werden dürfen.

Seine Überzeugung, dass dies der Anfang des Prozesses sein würde, der zur Einheit unseres Landes führt, fand ihre erste Bestätigung in dem Markstein der deutschen Nachkriegsgeschichte, als die Vier Mächte nicht mehr ohne die Mitwirkung der beiden deutschen Regierungen das Vier-Mächte-Abkommen schließen konnten.

In seinem Kern, dem Transit-Abkommen, haben die Deutschen die erste zivile Verkehrsregelung nach dem Krieg vereinbart, die bis zum Ende der Teilung funktioniert hat. Aus diesem Modell 4 + 2 wurde 19 Jahre später das Modell 2 + 4: Wie Notare bestätigten die Vier Mächte die Rückgabe der Selbstbestimmung an das kleiner gewordene Deutschland, die das Reich 1945 verloren hatte. Ost-Berlin hatte unrevidierbare neue Tatsachen geschaffen, ohne die Vier Mächte und ohne West-Berlin.

Nach der Genugtuung für Willy Brandt, dass Helmut Kohl als Bundeskanzler der Entspannungspolitik Brandts gefolgt war, erlebte er am 3. Oktober 1990 das Glück der Deutschen Einheit und konnte nach Berlin zurückkehren.

Schließlich hat er 1991 in der leidenschaftlichen Bundestagsdebatte seinen Beitrag dazu geleistet, dass Berlin wieder Hauptstadt wird. Er konnte, wie auch das Ausland, nicht verstehen, dass man darüber auch nur eine Sekunde zweifeln konnte.

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Autor*in
Egon Bahr

war Bundesminister für besondere Aufgaben und Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

 

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