Erwachsenwerden war nie komplizierter als heute – in einer scheinbar grenzenlosen Welt.
Nie wuchs auf deutschem Boden eine Generation heran, die von größerem Wohlstand umgeben war als heute. Zugleich wächst die Kluft zwischen Arm und Reich. Fundamente unseres Zusammenlebens scheinen zu wanken: Familienstrukturen, das soziale Netz, die Demokratie. Wie gehen junge Menschen damit um? Worauf hoffen sie? Was fürchten sie? Wofür setzen sie sich ein?
Wer heute jung ist, hat es schwerer denn je herauszufinden, wo er oder sie „hingehört“. Unübersichtlich ist die Vielfalt der sozialen Milieus, der kulturellen Bräuche, der Stile, der Moden und der Möglichkeiten. Zudem geht den heute Jungen eine Generation voraus, die gern so auftritt, als habe sie die ewige Jugend gepachtet. Selbst bei der Wahl der Kleidung oder der Musik wird es den Jungen schwer, sich von älteren klar zu unterscheiden. Wer kann jünger wirken als Mick Jagger?
Kein Wunder, dass die schärfste Abgrenzung von den Älteren via Internet erfolgt; in der virtuellen, nicht der wirklichen Welt. Das fördert globales Denken, aber es verführt auch dazu, die flüchtige und die reale Welt zu verwechseln. Im Internet scheint es keine Grenzen und keine Schranken zu geben. In der wahren Welt spielen Herkunft und Wohlstand der Eltern eine eher wieder wachsende Rolle. Auch wenn sich alle 20- bis 30-Jährigen auf Facebook versammelten, würde aus ihnen noch keine homogene Gruppe.
Wohl keine frühere Generation in Deutschland war so weltoffen und europäisch und so flexibel wie die jungen Männer und Frauen, die im wiedervereinigten Deutschland aufgewachsen sind, mit der Berliner Republik. Aber wo ist sie „zu Hause“? Wenn Erwachsenwerden bedeutet, sich seiner Identität zu versichern, war Erwachsenwerden wohl nie komplizierter als jetzt.
Porträts einer unübersichtlichen Generation –
aufgezeichnet von Marisa Strobel und Jonas Jordan