Wenn aus einer einstündigen Veranstaltung eine zweieinhalbstündige wird, dann hat Heinz Buschkowsky gesprochen. Der Neuköllner Bürgermeister (SPD) berichtet sowohl über die Probleme als auch über die gelungenen Integrationsanstrengungen in seinem Bezirk und gibt Lösungsvorschläge für erfolgreiche Eingliederung auf Bundesebene.
„Es wird in Deutschland ein Leben in Wohlstand ohne die Integration von Einwanderern nicht geben.“ So deutliche Worte sind vom Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky bekannt. Im 13. Berliner Abendgespräch der Stiftung „Hilfe zur Selbsthilfe, UP Micro Loans“ am 8. März sprach der Bürgermeister zum Thema: „Was tun? Brennpunktstadtteile in Berlin“. Sein Stadtteil Neukölln zählt zu einem dieser Problembezirke.
Migrantenkinder werden zu wenig gefördert
Mit einer Migrantenquote von knapp über 40% weist Neukölln die höchste in Berlin auf. Bei den eingeschulten Grundschülern betrage die Quote sogar 85-96%, meint Buschkowsky. „Das einzig Verbindende zwischen diesen Kindern ist nur noch die deutsche Sprache, sofern sie sie überhaupt sprechen.“ Der SPD-Bürgermeister weist darauf hin, dass etwa 37% der Eingeschulten in Neukölln nur rudimentäres Deutsch beherrschten.
Die Probleme würden sich auch in höheren Schulklassen nicht verbessern. Buschkowsky macht darauf aufmerksam, dass in Neukölln nur 28% der Schüler eine Gymnasialempfehlung bekämen – zum Vergleich: in Wilmersdorf-Charlottenburg liege die Quote der Gymnasialempfehlungen bei 52%. Die soziale Zementierung scheint damit schon vorprogrammiert zu sein. In Neukölln leben 65-75% aller Kinder unter 14 Jahren in Hartz IV Bezug. „In vielen Familien sind die Schüler die einzigen, die morgens aufstehen.“
Hartz IV als Lebensmodell
Hinzu kommt das Problem, dass die Lebensbedingungen der Migrantenfamilien in Deutschland sogar unter Hartz IV Bezug besser sind, als sie es aus ihren Ursprungsländern kennen. „Die Menschen haben ein Dach über dem Kopf und Essen im Überfluss. Dass sie mit ihrer Situation zufrieden sind ist doch verständlich.“ Buschkowsky möchte Empathie für die Migranten erzeugen. Sie hätten eben ganz andere Maßstäbe, was ein erfülltes Leben betrifft, sagt er.
Umso gravierender sei es, dass die Besserverdienenden Neukölln verlassen und in andere Stadtgebiete ziehen. „Viele kommen mit den Werten der Migranten, wie dem starken Nationalstolz und der Religiosität, nicht zurecht.“ Mit dem Umzug der sozial Starken, die vornehmlich deutscher Herkunft seien, verschwinde auch die letzte Chance auf Integration, meint Buschkowsky. In einer monolithischen Gesellschaft sei Integration einfach nicht möglich.
Normen sind unerlässlich
„Kinder brauchen klare Ansagen.“ Nach diesem Motto versucht Bürgermeister Buschkowsky die Integrationsproblematik in seinem Bezirk zu verbessern. Mit Maßnahmen wie Wachschutz vor Schulen und den sogenannten Schülercoaches, die als erfolgreiche Schulabgänger den anderen Schülern „ins Gewissen reden sollen“, hat es Buschkowsky sogar geschafft, die einst so verrufene Rütli-Schule zu einem Musterbeispiel für Integration umzuformen.
Auch das Projekt der Neuköllner Stadtteilmütter ist ein voller Erfolg. Hierbei werden Mütter mit Migrationshintergrund, vornehmlich Hartz IV Empfängerinnnen, in Bereichen wie gesunder Ernährung, erfolgreicher Erziehung und deutscher Sprache unterrichtet. Mit ihrem erlernten Wissen sollen die Frauen auf andere, integrationsunwillige Mütter zugehen und sie an ihrem Wissen teilhaben lassen. „Die Stadtteilmütter leisten einen enormen Beitrag zur Integration.“ Und nebenbei verdienen sich die Frauen einen kleinen Zuschuss zu ihrem Hartz IV Satz.
„Deutschland hat keine planvolle Einwanderungspolitik“
Ähnliche Lösungsvorschläge macht Buschkowsky auch für die Bundesebene. Er kritisiert die deutsche Familienpolitik. Bei uns werde das meiste Geld als Direktzahlungen an die Eltern verwendet, wie beispielsweise das Kindergeld. Das sei aber eine Investition in eine Scheinwelt, immerhin könne niemand versichern, dass die Eltern das Geld sinnvoll anlegen. Deswegen fordert der Neuköllner Bürgermeister stärkere staatliche Investitionen in die Infrastruktur. Er verlangt eine Kindergartenpflicht für Kinder ab einem Jahr und Ganztagsschulen. So hätten Migrantenkinder endlich eine Chance auf Integration.
Buschkowsky fordert auch härtere Sanktionen für integrationsunwillige Eltern. „Kommt das Kind nicht in die Schule kommt das Kindergeld nicht auf das Konto.“ In anderen Ländern seien derartige Sanktionen bereits Gang und Gebe. Der Neuköllner Bürgermeister ist sich sicher, dass Normen nicht nur für Kinder wichtig seien, auch Eltern müssten erst noch lernen, nach welchen Werten sie ihre Kinder erziehen sollen.
Romy Hoffmann ist Studentin der Politikwissenschaft und Philosophie an der Universität Regensburg. Im Frühjahr 2012 absolvierte sie ein Praktikum in der Redaktion des vorwärts.