Bundesarbeitsministerin von der Leyen hat einen Entwurf für eine Rentenreform vorgelegt. Für die Betroffenen ist er eine herbe Enttäuschung. Bei der Grundsicherung soll gespart werden, und auch die propagierte Zuschussrente erweist sich als Rohrkrepierer.
Das Ergebnis des Rentendialogs der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen mit dem anspruchsvollen Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Anerkennung der Lebensleistung in der Rentenversicherung“ liegt vor. Auch hier gilt das Sprichwort: „Der Berg kreiste und gebar ein Mäuslein.“ Die Verbesserungen der Rentenleistungen für geringverdienende und ältere Arbeitnehmer sind nicht viel mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.
Nutznießer ist die private Finanzindustrie
Weder wird das Ziel erfüllt, die Lebensleistung der oft jahrzehntelangen harten Arbeit sowie der gezahlten Rentenversicherungsbeiträge und Steuern bei den Renten zu honorieren. Noch wird dem ursprünglichen Anspruch des Rentendialogs – Bekämpfung der Altersarmut – Rechnung getragen. Sowohl für die am Rentendialog beteiligten Vertreter von Wirtschaft und Gewerkschaften sowie vor allem für die betroffenen Rentner ist die jetzt vorgelegte Rentenreform eine herbe Enttäuschung.
Hauptsächliche Nutznießer sind die private Finanzindustrie durch einen „quasi-gesetzlichen“ Zwang zum Abschluss von Riesterrenten sowie der Bundesfinanzminister, der seine Politik der Finanzierung strauchelnder Banken und Euroländer zu Lasten der Sozialleistungen auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung fortsetzen kann.
Bezeichnend hierfür ist das seltene Lob für Frau von der Leyen aus dem Hause von Wolfgang Schäuble. Die mit großem Öffentlichkeitswirbel von Frau von der Leyen vorgeschlagene „Zuschussrente“ – jetzt in ihrer Rentenreform gesetzlich verankert – erweist sich immer mehr als reine Augenwischerei. So sollen für den Bundeshaushalt keine zusätzlichen Ausgaben entstehen, sie vielmehr durch Einsparungen bei der Grundsicherung für Rentner ausgeglichen werden. Deutlicher kann die Ablehnung der Verantwortung für die Rentner nicht ausfallen.
Zuschussrente für Wenige auf Kosten der Rentenversicherung
Die propagierte Zuschussrente von 850 Euro für Menschen mit niedrigem Einkommen klingt verlockend. Allerdings erweist sie sich für viele als „Rohrkrepierer“, weil sie niemals die hoch gesteckten Voraussetzung erfüllen: 45 Beitragsjahre, davon 35 mit vollen Pflichtbeiträgen, zusätzliche Zahlung einer Riesterrente über 35 bzw. 45 Jahre.
Selbst bei großzügiger Anerkennung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten werden insbesondere Frauen, die hauptsächlich vonArmut bei Arbeit und im Alter betroffen sind, diese Hürden nicht überwinden können. Infolge ihrer oft jahrzehntelangen Arbeit für die Familie sowie des skandalös hohen Anteils nicht nur an Teilzeitarbeit, sondern vor allem in den 400 Euro Jobs ohne eigene Sozialversicherung, sind sie überhaupt nicht in der Lage, die erforderliche berufliche Tätigkeit mit vollen Sozialversicherungsbeiträgen aufzubringen. Dies gilt auch für immer mehr Männer, die von der in Deutschland nach wie vor besonders hohen Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind.
Bekämpfung der Altersarmut
Die Bekämpfung der Altersarmut erfordert umfassende Maßnahmen zur Bekämpfung der Niedriglohnsektoren. Dazu gehören insbesondere: Die Einführung von Mindestlöhnen nicht unter 8,50 Euro; die Einbeziehung grundsätzlich aller Arbeitsverhältnisse in die Sozialversicherungspflicht; die Begrenzung von befristeter Beschäftigung und Leiharbeit auf sachliche Gründe.
Entscheidend ist die Verbesserung der Rentenleistungen für Geringverdiener sowohl durch ausreichende Beiträge bei Arbeitslosigkeit wie auch durch Zurechnungen ohne unüberwindbare Hürden – z.B. durch Freibeträge bei der Anrechnung eigener Rentenleistungen auf die Grundsicherung sowie die zeitweise Verlängerung der Renten nach Mindesteinkommen. Der Zwang zum Abschluss einer Riesterrente sollte gestrichen werden.
Kombirente zu Gunsten der Arbeitnehmer
Auch die vorgesehene Einführung einer Kombirente ist problematisch. Danach können ältere Arbeitnehmer neben ihrer Rente mehr als die bisher zulässigen 400 Euro im Monat hinzuverdienen, ohne dass ihre Renten gekürzt werden.
Dies klingt beim ersten Ansehen verlockend, erweist sich allerdings bei genauer Analyse als ein „Danaergeschenk“. Arbeitgeber werden geradezu angereizt, Arbeitnehmer in den vorzeitigen Rentenbezug zu drängen, da sie dann nur noch geringere Löhne zahlen müssen.
Für die Arbeitnehmer ist der vorzeitige Rentenbezug mit Abschlägen von 3,6 Prozent pro Jahr verbunden. Dies ist nichts anderes als ein Kombilohn zu Gunsten der Arbeitgeber auf Kosten der Rentenversicherung. Gekniffen sind dann auch die Arbeitnehmer selbst. Nach Wegfall des Einkommens aus Arbeit müssen sie bis an ihr Lebensende mit den durch die Abschläge verringerten Rentenleistungen auskommen.
Soll den älteren Arbeitnehmern aber mehr Wahlmöglichkeiten des Übergangs aus dem Erwerbsleben in die Rente eingeräumt werden, muss ein gleitender Übergang mit einem flexiblen System von Teilzeitarbeit und Teilrenten angeboten werden.
Dr. Ursula Engelen-Kefer leitet den Arbeitskreis Sozialversicherung im Sozialverband Deutschland. Von 1990 bis 2006 war sie stellvertretende Vorsitzende des DGB.