Inland

Das Allerletzte von Martin Kaysh

von Martin Kaysh · 7. Juni 2012

Fußball ist unser Leben, denn König Fußball regiert die Welt“, sang die deutsche Nationalmannschaft 1974 und wurde gleich Weltmeister. Dass man in dem Turnier gleich gegen mehrere Unrechtsstaaten antrat, störte damals niemanden. Gut, die Niederlage der Bundesrepublik gegen die DDR ärgerte schon. Also, sie störte den Westen, die Guten. Wohlgemerkt, man spielte in solchen Fällen nicht nur gegen elf Freunde oder elf Genossen, sondern immer gleich gegen fiese Staaten, gegen ein feindliches System. 

Aber das Lied sagte damals schon, was heute gilt. Die internationalen Sportverbände, die sich mal IOC, mal FIFA oder UEFA nennen,  sind  politisch neutral und steuergünstig in der Schweiz angesiedelt. Sie können nicht jede lokale Besonderheit irgendwo in ihrem Imperium bestrafen, großzügige Interpretationen des Wortes „Menschenrechte“ etwa. Sie sind politisch so hyperkorrekt, dass sie jedes mahnende Räuspern, auch hinter vorgehaltener Hand, unterlassen. Es könnte ja als Übergriff gewertet werden. Die FIFA ist schließlich nicht irgendeine Schrauberbude in Gelsenkirchen-Ückendorf, sondern ein smart geführter Weltladen. Er hat ein ethisches Leitbild, setzt auf Diversity Management, ein ganz heißes Ding, bei dem es grob gesagt um die Achtung sozialer und kultureller Vielfalt geht. Der Russe oder Ukrainer ist halt anders. „Der Chinese auch“, fügt das IOC schnell hinzu.

Natürlich hat so ein Sportverband Macht. Auch wenn Leonardo DiCaprio den Titel für sich beansprucht, Fußball ist der König der Welt, und die FIFA sein Statthalter auf allen Kontinenten. Sie kann Staaten in die Knie zwingen, auch demokratische, das verlangt allein schon das höfische Protokoll. So hat sich 2006 auch Deutschland gebeugt. Da wurde nicht nur jeder Bäckermeister juristisch verfolgt, der es wagte, ohne Lizenzgebühren Weltmeisterbrötchen zu backen. Der Staat verzichtete auch allzu gerne auf riesige Steuereinnahmen.

Jetzt verzichten viele Politiker auf einen Besuch der Europameisterschaft in der Ukraine. Da merke ich erst mal, wer sich sonst so alles offiziell in Fußballstadien rumtreibt. Unsere Politiker sollen aber nicht darben. Wer von ihnen unbedingt Millionären bei der Arbeit zuschauen möchte, könnte doch auch mal in die Vorstandssitzung eines großen Konzerns gehen. Da lohnt sich das genaue Hinsehen bestimmt, und das Catering  dürfte auch nicht schlecht sein. 

Autor*in
vorwärts-Kolumnist: Kabarettist und Alternativkarnevalist Martin Kays
Martin Kaysh

ist Kabarettist, Alternativ-Karnevalist („Geierabend“) und Blogger. Er lebt im Ruhrgebiet, freiwillig.

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