In den USA geht der Präsidentschaftswahlkampf in die heiße Phase. In der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) in Berlin wurde am Montagabend schon einmal diskutiert: Wie steht es um Barack Obamas Chancen für die Wiederwahl? Und was für ein Wahlkampf steht den Amerikanern bevor?
Glaubt man dem US-Botschafter in Berlin Philip D. Murphy, dann kommt auf die Amerikaner eine nervenaufreibende Zeit zu. „Die Präsidentschaftswahl wird eng wie selten in der Geschichte“, sagt er. Als er die Zuschauer der Podiumsdiskussion „IF WE COULD – Amerika vor der Wahl“ begrüßt, warnt er sie deshalb schon einmal vor: „Debatten in einer Demokratie sind öffentlich, frei, laut und turbulent. Verwechseln Sie das nicht mit Schwäche.“
Am 6. November 2012 werden die Amerikaner abstimmen, ob Barack Obama in die zweite Amtszeit gehen kann. Die amerikanische Journalistin Anja Shrivastava ist skeptisch: „Der Amtsinhaber hat es wegen der Finanzkrise sehr schwer. Die Chancen stehen 50 zu 50.“ Auch Christoph von Marschall, Tagesspiegel-Korrespondent in Washington, traut dem Herausforderer Mitt Romney viel zu: „Von allen republikanischen Kandidaten ist er der Gefährlichste für Obama. Denn er tendiert zur Mitte, ist am wenigsten rechtslastig und schrullig.“ Auch in den USA würden Wahlen in der Mitte entschieden.
In den USA herrscht Krisenstimmung
Die USA leiden immer noch unter der 2008 ausgebrochenen Finanzkrise. Die Arbeitslosenquote liegt bei über acht Prozent – für amerikanische Verhältnisse ein dramatischer Wert. Vor der Krise lag die Quote bei vier bis fünf Prozent. Dass Obama die Krisenstimmung durch ein wirtschaftspolitisches Programm noch drehen kann, glaubt von Marschall nicht. Der Präsident könne wenig ausrichten, denn ihm fehle die Parlamentsmehrheit, argumentiert er. Die Republikaner würden alles blockieren, was dem Präsidenten vor der Wahl nützen könnte. Eine Chance habe Obama aber: „Den Zustand kann er nicht verändern, aber den Eindruck von diesem Zustand. Er muss betonen, dass die Arbeitslosenquote seit 2010 von zehn auf acht Prozent gesunken ist.“
Ob das hilft, ist ungewiss. „Die Leute werden langsam panisch, sie haben so eine Krise noch nie erlebt“, beschreibt Shrivastava die Stimmung. Deshalb seien auch Bewegungen wie Occupy oder die Tea Party im Aufwind. Von Marschall ergänzt: „Die wirtschaftliche Situation war 2008 eigentlich schlimmer als heute, aber damals waren die Bürger optimistisch. Jetzt ist es umgekehrt.“
Die Euphorie um Obama ist verebbt
Dazu beigetragen hat auch, dass der Obama-Euphorie von 2008 im Verlauf seiner ersten Amtszeit die Luft ausgegangen ist. Symptomatisch dafür war sein Einsatz für eine Gesundheitsreform, die er nur schleppend voranbrachte. „Obama wollte sie gleich in seinem ersten Amtsjahr 2009 angehen, aber die Republikaner haben sie bis zum Jahresende hinausgezögert“, erklärt von Marschall. Nach einer Nachwahl Ende 2009 und den Zwischenwahlen 2010 sei dann Obamas Parlamentsmehrheit weg gewesen. Obama habe Fehler gemacht, ergänzt Shrivastava. Seine Konjunkturprogramme hätte er nicht mit einer Energiewende verknüpfen sollen, meint die Amerikanerin. „Eine Job-Offensive muss schnell umgesetzt werden. Eine Energiewende dagegen ist kompliziert, wie man ja in Deutschland sehen kann.“
Einen harmonischen Wahlkampf erwarten die beiden Journalisten jedenfalls nicht. Es werde viele Schmutzkampagnen geben, prophezeien beide. „Die Amerikaner haben miese Laune und wollen eigentlich keinen der beiden Kandidaten“, sagt von Marschall. Deshalb werde derjenige gewinnen, der weniger Abneigung auf sich zieht.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.