Längst hat Italiens Realität diese Komödie überholt. „Die 1000 Euro-Generation“ dreht sich um einen begabten Mathematiker und frustrierten Marketing-Assistenten Anfang 30, der sich mit seinem schlecht bezahlten Vollzeit-Job mühsam über Wasser hält – und zwischen zwei Frauen gerät.
Heutzutage bleiben sogar derlei prekäre Jobs, so muss man ganz ohne Zynismus feststellen, für immer mehr Nachwuchsakademiker südlich der Alpen ein Wunschtraum: Matteo ist Anfang 30, gerade mit der Uni fertig und schlägt sich mit einem Job in einer Marketing-Agentur durch. Mittlerweile ist die Realität in Bella Italia eine andere: Rund 6500 gut ausgebildete junge Menschen verlassen Jahr für Jahr das Land. Nach Jahren der Krise befinden sich italienische Staatsanleihen kurz vor Ramschniveau – und die Gehaltsaussichten für junge Anwälte, Architekten oder Ärzte werden immer düsterer, verkünden Experten von der Universität Mailand Bicocca.
Nicht, dass der Mangel an unmittelbarem Realitätsbezug „Die 1000 Euro-Generation“ weniger sehenswert macht. Trotz des bedeutungsschwangeren Titels ist der Film ohnehin alles andere als ein präzises Porträt einer ganzen Generation von Ausgebeuteten und Ausgebremsten. Dafür liegt der Fokus viel zu sehr auf der kleinen Welt von Marketingassistent Matteo (Alessandro Tiberi) zwischen der Mailänder Wohngemeinschaft und seinem Büro. Der Zeitbezug all dieser Irrungen und Wirrungen ist begrenzt. Schon der gleichnamige, 2005 von Antonio Incorvaia und Alessandro Rimassa im Internet veröffentlichte Mini-Roman taugt nur bedingt zum Standardwerk.
Das Leben rauscht vorbei
Gleichwohl schwingt das, was eine wachsende Zahl an überdurchschnittlich gut Ausgebildeten zwischen Ende 20 und Anfang 40 auch in Deutschland umtreibt, in jeder Szene des Films mit: das Gefühl, dass das Leben an einem vorbeirauscht, weil man nur für ein paar Monate planen kann. Der empfundene oder reale Druck, sich im Job umso stärker anzupassen oder zu engagieren, weil man jederzeit ersetzbar ist. Und was bedeutet eigentlich das Wort “Familienplanung”?
„Das Drama um den unsicheren Arbeitsplatz überschattet eine Lebensphase, in der man eigentlich seine Träume leben sollte“, fasst Regisseur Massimo Venier die Lage zusammen. Manch einer flüchtet sich in Kindereien oder konserviert sein Leben aus Uni-Zeiten. Dieser Geist herrscht in Matteos WG. Sein Mitbewohner Francesco (Francesco Mandelli)jobbt als Filmvorführer. Erfolgserlebnisse kennt er nur von seiner Fußballmannschaft auf der Playstation. Die Wohnung ist so heruntergekommen, dass der Wassereimer eines Tages durch den Boden kracht. Die neue Mitbewohnerin Beatrice (Valentina Lodovini), die von einer festen Stelle als Griechisch-Lehrerin träumt, bringt frischen Wind in die Tristesse: Indem sie den beiden Herren den Kopf verdreht und selbigen wiederholt gründlich wäscht.
Versuchung im Büro
Matteo hat da allerdings bereits den Überblick über sein Leben verloren. Seine Freundin hat eine Beziehungspause vorgeschlagen. Auch seinen Marketing-Job ist er in Kürze los. Doch eine Zigarettenpause auf dem Hochhausdach bringt die Wende: Die ebenso ausgebuffte wie anziehende Zockerin Angelica (Carolina Crescentini) übernimmt seine Abteilung. Angelica hat viel vor, auch mit ihm und zwar nicht nur beruflich. Wer würde sich in Matteos Lage nicht darauf einlassen? Aber kann er sich dabei selbst treu bleiben? Zeigt Matteo nicht durch seine Gast-Vorlesungen an der Uni, dass sein Herz für etwas ganz anderes schlägt? Zum Glück weist ihm Beatrice, als bereits alles zu spät scheint, den rechten Weg.
In der Auflösung all der Verwicklungen, die Matteo plagen, wird das Nebeneinander von Ironie und Märchen als ästhetische Grundierung auf die Spitze getrieben. “Die 1000 Euro-Generation” spielt ganz bewusst mit Klischees, um sie schließlich zu brechen. Beatrice und Angelica treten wie die gute und die böse Fee in Matteos Leben, offenbaren aber weitaus komplexere Persönlichkeiten.
Und auch Matteo ist mehr als nur der sympathische Getriebene. Zwar bleibt er ein Suchender, doch als Filou holt er kräftig auf: Auch optisch kreuzen sich in dem leicht verhuschten, aber stets mit trendiger Lässigmode bestückten Jüngling die Schauspieler Elijah Wood als Frodo aus „Der Herr der Ringe“ und Hugh Grant.
Die Geschmeidigkeit, die Matteo an den Tag legt, prägt auch den gesamten Film. Selbst wenn existenzielle Fragen behandelt werden, geht die Leichtigkeit im Gespräch nicht verloren – wenngleich Mailand häufig in wenig einladenden, gar düsteren Farbtönen in Szene gesetzt wird.
Scheinbare Leichtigkeit
Es wird unheimlich viel gequasselt, überall und immerdar. Doch nicht zuletzt in den Dialogen zwischen Matteo und Angelica wird die ganze Widersprüchlichkeit, die ihr Tun umgibt, selbst zum Thema. Vor allem die intensive Kommunikation zwischen den hervorragend besetzten Hauptfiguren verleiht diesem Film Tiefe. Der bedient, ob seiner vordergründigen Leichtigkeit, ansonsten viele jener Klischees, die romantische Komödien eben so mit sich bringen.
Anderseits zählt es zu den angenehmen Überraschungen, dass Matteo Herz und Verstand einsetzt, um seiner misslichen Lage zu entkommen, anstatt in Niedergeschlagenheit zu versinken oder gar Amok zu laufen. Was zeigt: Wo Probleme übermächtig scheinen, kann die leichte Form nicht schaden. In diesem Fall öffnet sie den Blick für die wahren Dinge des Lebens.
Info:
„Die 1000-Euro-Generation“ (Generazione mille Euro, Italien 2009), ein Film von Massimo Venier, mit Alessandro Tiberi, Valentina Lodovini, Carolina Crescentini u.a., OmU, 101 Minuten.
Ab sofort im Kino