Die SPD in Schleswig-Holstein will den Netzausbau voranbringen, wenn sie die Landtagswahl am 6. Mai gewinnt. „Wir müssen einen Prozess organisieren, den möglichst alle als Gewinn empfinden“, betont Spitzenkandidat Torsten Albig. Dass die Energiewende nicht ohne viele zusätzliche Netzkilometer möglich sein wird, darüber sind sich inzwischen alle Beteiligten einig. Der künftig im Norden produzierte Windstrom wird sonst das Netz verstopfen, bevor er im Süden ankommt. Gerade deshalb sucht Torsten Albig den Dialog.
Wie in anderen Bundesländern, wird auch in Schleswig-Holstein gegen neue Höchstspannungsmasten protestiert. Manche Sorgen sind berechtigt, wie ein kürzlich vorgestelltes Gutachten über die ökologischen Auswirkungen von Freileitungen und Erdkabeln feststellt. Umso wichtiger ist die Prüfung im Einzelfall. „Neue Stromleitungen sollten überall dort vorrangig in der Erde verlegt werden, wo Freileitungen nicht natur- und siedlungsverträglich sind“, sagt Albig.
Bei der Diskussion über den Bau neuer Trassen geht jedoch schnell unter, dass Netzengpässe nicht nur in den dicken Starkstromseilen auftreten. Weit über 90 Prozent der erneuerbar erzeugten Energie werden erst einmal dezentral vom herkömmlichen Niederspannungsnetz aufgenommen. „Die Verteilnetze bekommen damit zunehmend eine Rolle, die bisher nur das Übertragungsnetz innehatte“, erläutert die Geschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Hildegard Müller. Das kann bei starkem Wind und bei viel Sonnenschein die Stabilität der Stromversorgung gefährden.
Den Niederspannungsnetzen fehlen Trafostationen mit digitalen Messeinrichtungen zur Überwachung und Steuerung der fluktuierenden Energien. Eine Aufrüstung mit den nötigen IT-Komponenten ist deshalb zwingend erforderlich. Dem pflichtet auch Stephan Weil bei, Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen: „Wenn die lokalen Verteilnetze nicht fit gemacht werden, dann wird das System sehr schnell an seine Grenzen stoßen.“ Die deutsche Akademie der Technikwissenschaften Acatech geht noch einen Schritt weiter: „Nur ein intelligentes Energienetz, ein so genanntes Smart Grid, kann die Herausforderungen der Energiewende bewältigen.“
Wer aber kümmert sich darum und wer bezahlt es? Während der Ausbau des Transportnetzes umfangreich geplant wird, hinkt die Entwicklung der Intelligenz im Verteilnetz hinterher. Belastbare Kostenabschätzungen und ein tragfähiges Geschäftsmodell fehlen. „Die Entscheidung über den Einsatz von Smart Grids ist eine rein unternehmerische des jeweiligen Netzbetreibers“, gibt sich Achim Zerres von der Bundesnetzagentur zugeknöpft. Dem hält Telekom-Managerin Gabriele Riedmann de Trinidad entgegen: „Den Ausbau des Smart Grids wird man nur vorantreiben, wenn man sich davon einen Nutzen verspricht. Der ist in Deutschland aber zwischen Endkunden, Verteilnetzbetreibern und Stromlieferanten gesplittet.“
Betriebswirtschaftlich geht die Rechnung also nicht auf. Erst volkswirtschaftlich ergibt sich der Vorteil der schlauen Netze: Nur mit „smarten Technologien“ kann das ständig wechselnde Angebot der Erneuerbaren Energien genau registriert und sicher auf die Stromnachfrage abgestimmt werden. BDEW-Stratege Andreas Kuhlmann sieht deshalb Handlungsbedarf: „Die Politik wird den Auftrag der Bundesnetzagentur kritisch überdenken müssen. Regulierung darf nicht mehr nur für billige Netzentgelte sorgen. Im Vordergrund müssen die richtigen Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Energiewende stehen.“
Der Druck ist groß, denn auch im Ausland wird die Energiewende aufmerksam beobachtet. „Wir müssen den anderen Staaten Mut machen, indem wir eine intelligente Netzstruktur aufbauen, dezentrale Erzeugungskapazitäten heben und neue Arbeitsplätze entstehen lassen“, fordert Matthias Miersch, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Aus seiner Sicht kann Deutschland den Umstieg auf ein intelligentes, erneuerbares Energiesystem schaffen – und damit weltweit ein Beispiel sein.